Goldglänzender Wohlgeschmack

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amara5 Avatar

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Der internationale Bestseller „Butter“ der japanischen Erfolgsautorin Asako Yuzuki nimmt psychologisch und kriminologisch messerscharf das Rollenbild der Frau in Japan ins Blickfeld.

Die strebsame Journalistin Rika hat eine anstrengende Arbeit in einem diskriminierenden und männerdominierten Umfeld und isst lieber schnelles Convenience Food als zuhause aufwendig zu kochen. Bei der Recherche zu einem neuen Artikel lässt sie der Fall Manako Kajii nicht los – die Frau mit prominentem Food Blog wurde zur lebenslanger Haft verurteilt, da sie drei Männer erst durch ihre Kochkunst bezirzt und dann umgebracht haben soll, auch wenn alles nach Selbstmord aussieht. Nach einer gelungenen Überzeugung wird Rika die geheimnisvoll-einnehmende Kajii, die Margarine und Feministinnen hasst, im Gefängnis besuchen und ihr sowie ihren exquisiten Kochkünsten mit viel hochwertiger Butter verfallen und sich von dem japanischen sehr schlanken Weiblichkeitsideal peu à peu verabschieden. Denn Prämisse für die Besuche sind: Es wird nur über Essen und Rezepte geredet und Rika muss alles nachkochen. Die manipulative Kajii übt eine verhängnisvolle und delikate Anziehung aus und ehe sich Raki versieht, werden noch weitere Menschen wie ihre innige Freundin Reiko verwickelt.

Bereits in zehn Sprachen übersetzt und in Japan ein Kultbuch, zeichnet Asako Yuzuki in ihrem gesellschaftspolitischen und feministischen Kriminalroman eine humorvoll-spannende und aufschlussreiche Abwicklung über die Stellung der Frau in Japan, während sie nonchalant und gekonnt nebenbei noch eine faszinierende Kriminalgeschichte aus der Sicht einer akribischen und ambitionierten Reporterin erzählt. Ihr Gegenüber: eine Mörderin, die sich zwar Konventionen entgegenstellt, aber nichts von Feminismus hält und Frauen in der Küche sieht und doch von ihr abhängige Männer ermordet. Dabei kämpfen aktuell japanische Frauen in der Berufswelt um Gleichstellung und Anerkennung in patriarchal geprägten Strukturen. Und Raki wird in ihrem Berufsethos, das einen neutralen Blick fordert, erschüttert und doch lernt sie sich selbst näher kennen.

Feinfühlig, szenisch und sinnlich entführt Asako Yuzuki in eine detaillierte Genusswelt voller leckerer Gerichte, die Reue auslösen können – denn Rika nimmt an Gewicht zu, was bei den japanischen Männern nicht gerne gesehen wird. Kochen und die Familie verwöhnen ja, aber dabei bitte gertenschlank bleiben. Die Butter steht dabei für ein Produkt, das in Japan schwerer und teurer zu erhalten ist und die Rika im Roman nur in Feinkostläden besorgen kann. Das Psychogramm der mutmaßlichen Mörderin Kajii ist sehr fesselnd und rätselhaft (und scheint auf dem wahren Fall der Kanae Kijima zu beruhen) – in der Öffentlichkeit als dick und hässlich beleidigt und in der Strafverteidigung vernachlässigt, wird nie ganz genau klar, ob sie wirklich die Morde begangen hat.

Eine klug und komplex komponierte Geschichte einer weiblichen Selbstbestimmung zwischen scharfsinnigem Kriminalfall und japanischem Frauenleben mit strengen gesellschaftlichen Konventionen sowie einer innigen Freundschaft – und inspirierend auf mehreren Ebenen, nicht nur der herausragend kulinarischen!