Kulinarische Emanzipation
Im Mittelpunkt von Asako Yuzukis Roman „Butter“ stehen Rika, eine 34-jährige Journalistin, und Manako Kaji, eine mutmaßliche Mörderin, die zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, weil drei Männer jeweils in ihrer unmittelbaren Umgebung zu Tode kamen.
Der Fall „Manako Kaji“ beschäftigt Öffentlichkeit und Presse gleichermaßen, doch Kaji lehnt sämtliche Interviewanfragen ab.
Thematisch kreist „Butter“ um die Rolle der Frau (und auch der Männer) in der gegenwärtigen japanischen Gesellschaft. Der öffentliche und private Druck auf Frauen Ehe, Mutterschaft und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen und dabei einem untergewichtigen körperlichen Idealbild (50kg) zu entsprechen, ist allgegenwärtig. Ungefragt kommentieren selbst die als fortschrittlich und auf Gleichberechtigung Wert legenden jüngeren Männer die Körper von Frauen und äußern sich abfällig über deren Gewichtszunahmen. Dabei steht immer im Raum, dass normalgewichtige Frauen sich „gehen lassen würden“.
Auch Rika achtet zu Beginn des Romans auf ihr Gewicht. Sie interessiert sich weder für Lebensmittel noch für deren Zubereitung und ernährt sich überwiegend von kalorienarmen Gerichten, die sie außerhalb kauft. Rikas Freundin Reiko, die selbst gerne kocht, gibt Rika den Tipp bei ihrer Interviewanfrage unbedingt Interesse an Kajis Foodblog und ihren Rezepten zu bekunden. Es funktioniert: Manako Kaji stimmt einem Interview unter der Bedingung zu, ausschließlich kulinarische Fragen zu beantworten. Infolge zahlreicher Gespräche mit Kaji im Gefängnis, verändert sich Rikas Einstellung zu Nahrungsmitteln, Genuss, ihrem eigenen Selbstbild sowie ihr Blick auf die allgegenwärtige Frauenfeindlichkeit. Sie beginnt nach Kajis Rezepten zu kochen, zunächst um Kaji in allen Einzelheiten davon zu berichten (das gehört zu Kajis Bedingungen für ein weiteres Treffen), später auch weil sie sich den Geschmacksexplosionen nicht mehr entziehen kann und ein Grundbedürfnis nach hochwertigen Zutaten und deren Zubereitung in ihr erwacht. Hartnäckig versucht Rika aber auch herauszufinden, ob Manako Kaji tatsächlich eine Mörderin ist, welche Kindheitserlebnisse sie prägten und vor allem, warum so viele Männer von Kaji angezogen sind, obwohl sie in der Öffentlichkeit als „fett“ und unattraktiv stigmatisiert wird. Kaji, die von sich selbst behauptet, sie verabscheue nichts mehr als Feministinnen und Margarine, ist eine hochinteressante, zutiefst widersprüchliche Figur mit einem ausgeprägten Bedürfnis andere zu versorgen, aber ihnen zugleich deutlich ihre Meinung und bestimmte Handlungen aufzuzwingen. Ihr Verhalten ist hochgradig manipulativ und bringt letztendlich auch Rika und ihre Freundin Reiko in Gefahr.
Mir hat der Roman, in dem sehr viel Butter konsumiert wird, trotz einiger Längen gut gefallen. Er bietet genügend Raum über das Verhältnis von Genuss und naturbelassenen Lebensmitteln versus stark modifizierter Nahrungsmittel nachzudenken und stellt in diesem Zusammenhang auch Fragen, die die einengenden gesellschaftlichen Regeln der japanischen Gesellschaft (aber auch darüber hinaus) kritisch beleuchten. In „Butter“ wird viel gegessen und gekocht, die Gerichte, deren Zubereitung und ihr Konsum sehr ausführlich beschrieben. Die Entwicklung der Figuren war für mich durchweg interessant und stimmig. Ganz nebenbei habe ich viel über die japanische Gesellschaft, aber auch über französische Küche gelernt. Etwas gestört hat mich, dass Rikas Erkenntnisse manchmal fast wie aus einem Ratgeber für ein selbstbestimmtes Leben klingen - das hätte für mich gerne etwas subtiler in die Handlung eingebaut werden können. Letztendlich bringt Manako Kaji ein gesellschaftliches Problem auf den Punkt, wenn sie sagt: „Sich mehr um das Äußere anderer Menschen zu kümmern als um das eigene Innnere - das ist verrückt“ (S. 263). Rika durchläuft in diesem Roman eine bemerkenswerte emanzipatorische Entwicklung. Sie nimmt zehn Kilogramm zu, erkennt, dass sie sich in ihrem Körper wohlfühlen kann, auch wenn ihre Umwelt sie kritisch beäugt. Rika sehnt sich nach echter Verbundenheit mit anderen Menschen und sucht einen Weg, der es ihr und anderen ermöglicht, unabhängig von Aussehen und Geschlechtsidentität frei und angenommen zu sein. So gesehen bietet „Butter“ nicht nur Gesellschaftskritik, sondern auch eine Vision davon, wie Gesellschaft funktionieren könnte. Wer sich für Kulinarik und Japan interessiert, sollte diesen Roman lesen.
Der Fall „Manako Kaji“ beschäftigt Öffentlichkeit und Presse gleichermaßen, doch Kaji lehnt sämtliche Interviewanfragen ab.
Thematisch kreist „Butter“ um die Rolle der Frau (und auch der Männer) in der gegenwärtigen japanischen Gesellschaft. Der öffentliche und private Druck auf Frauen Ehe, Mutterschaft und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen und dabei einem untergewichtigen körperlichen Idealbild (50kg) zu entsprechen, ist allgegenwärtig. Ungefragt kommentieren selbst die als fortschrittlich und auf Gleichberechtigung Wert legenden jüngeren Männer die Körper von Frauen und äußern sich abfällig über deren Gewichtszunahmen. Dabei steht immer im Raum, dass normalgewichtige Frauen sich „gehen lassen würden“.
Auch Rika achtet zu Beginn des Romans auf ihr Gewicht. Sie interessiert sich weder für Lebensmittel noch für deren Zubereitung und ernährt sich überwiegend von kalorienarmen Gerichten, die sie außerhalb kauft. Rikas Freundin Reiko, die selbst gerne kocht, gibt Rika den Tipp bei ihrer Interviewanfrage unbedingt Interesse an Kajis Foodblog und ihren Rezepten zu bekunden. Es funktioniert: Manako Kaji stimmt einem Interview unter der Bedingung zu, ausschließlich kulinarische Fragen zu beantworten. Infolge zahlreicher Gespräche mit Kaji im Gefängnis, verändert sich Rikas Einstellung zu Nahrungsmitteln, Genuss, ihrem eigenen Selbstbild sowie ihr Blick auf die allgegenwärtige Frauenfeindlichkeit. Sie beginnt nach Kajis Rezepten zu kochen, zunächst um Kaji in allen Einzelheiten davon zu berichten (das gehört zu Kajis Bedingungen für ein weiteres Treffen), später auch weil sie sich den Geschmacksexplosionen nicht mehr entziehen kann und ein Grundbedürfnis nach hochwertigen Zutaten und deren Zubereitung in ihr erwacht. Hartnäckig versucht Rika aber auch herauszufinden, ob Manako Kaji tatsächlich eine Mörderin ist, welche Kindheitserlebnisse sie prägten und vor allem, warum so viele Männer von Kaji angezogen sind, obwohl sie in der Öffentlichkeit als „fett“ und unattraktiv stigmatisiert wird. Kaji, die von sich selbst behauptet, sie verabscheue nichts mehr als Feministinnen und Margarine, ist eine hochinteressante, zutiefst widersprüchliche Figur mit einem ausgeprägten Bedürfnis andere zu versorgen, aber ihnen zugleich deutlich ihre Meinung und bestimmte Handlungen aufzuzwingen. Ihr Verhalten ist hochgradig manipulativ und bringt letztendlich auch Rika und ihre Freundin Reiko in Gefahr.
Mir hat der Roman, in dem sehr viel Butter konsumiert wird, trotz einiger Längen gut gefallen. Er bietet genügend Raum über das Verhältnis von Genuss und naturbelassenen Lebensmitteln versus stark modifizierter Nahrungsmittel nachzudenken und stellt in diesem Zusammenhang auch Fragen, die die einengenden gesellschaftlichen Regeln der japanischen Gesellschaft (aber auch darüber hinaus) kritisch beleuchten. In „Butter“ wird viel gegessen und gekocht, die Gerichte, deren Zubereitung und ihr Konsum sehr ausführlich beschrieben. Die Entwicklung der Figuren war für mich durchweg interessant und stimmig. Ganz nebenbei habe ich viel über die japanische Gesellschaft, aber auch über französische Küche gelernt. Etwas gestört hat mich, dass Rikas Erkenntnisse manchmal fast wie aus einem Ratgeber für ein selbstbestimmtes Leben klingen - das hätte für mich gerne etwas subtiler in die Handlung eingebaut werden können. Letztendlich bringt Manako Kaji ein gesellschaftliches Problem auf den Punkt, wenn sie sagt: „Sich mehr um das Äußere anderer Menschen zu kümmern als um das eigene Innnere - das ist verrückt“ (S. 263). Rika durchläuft in diesem Roman eine bemerkenswerte emanzipatorische Entwicklung. Sie nimmt zehn Kilogramm zu, erkennt, dass sie sich in ihrem Körper wohlfühlen kann, auch wenn ihre Umwelt sie kritisch beäugt. Rika sehnt sich nach echter Verbundenheit mit anderen Menschen und sucht einen Weg, der es ihr und anderen ermöglicht, unabhängig von Aussehen und Geschlechtsidentität frei und angenommen zu sein. So gesehen bietet „Butter“ nicht nur Gesellschaftskritik, sondern auch eine Vision davon, wie Gesellschaft funktionieren könnte. Wer sich für Kulinarik und Japan interessiert, sollte diesen Roman lesen.