Finsteres Szenario

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
heinoko Avatar

Von


Dieses Buch lässt mich unschlüssig zurück. Gekonnt geschrieben, das ja. Aber will ich wirklich mit diesen Kopfbildern einer entsetzlichen Welt, grausam, gnadenlos, chancenlos, gefährlich meine raren Lesestunden verbringen?
Die Handlung wird vom Verlag sehr umfassend dargestellt: Emilios Welt ist geteilt. Auf der einen Seite das reiche Asaria. Auf der anderen Seite Cainstorm Island, überbevölkert, arm und von Gewalt zerfressen. Dort kämpft der 17-Jährige, umgeben von brutalen Gangs, gegen die Schulden seiner Familie. Eines Tages spricht ihn ein Mitarbeiter von Eyevision an und bietet Emilio einen Deal. Emilio willigt ein, sich einen Chip in den Kopf implantieren zu lassen. Dieser Chip ist an seinen Sehnerv angeschlossen und überträgt jeden Tag eine halbe Stunde lang, was Emilio sieht. Seine Videos, waghalsige Kletter- und Trainsurf-Aktionen, kommen an, die Zuschauerzahlen steigen langsam. Bis sein Leben eine unvorhergesehene Wendung nimmt: Emilio gerät in das Gebiet einer Gang und tötet einen der Anführer in Notwehr. Live und auf Sendung. Das Video verbreitet sich rasend schnell und Emilio wird zum Gejagten. Und zwar nicht nur von der Gang, sondern auch von Eyevision, die sehr eigene Pläne mit Emilio haben.
Dramatisch ist das Buch und atemlos-spannend ist sein Beginn. Aber je weiter das Geschehen fortschreitet, umso mehr flacht es meinem Gefühl nach ab. Denn die Autorin packt zuviel auf einmal in das Buch und lässt den Leser letztlich doch mit dem offenen Ende im Leeren stehen. Die deutliche Absicht, Serien-Junkies auf diese Weise anzufixen, ist offenkundig und somit ärgerlich. Die Handlung lässt nichts aus, was man sich an finstersten Szenarien mit bitterer Armut, Dreck und Gestank, an temporeichen Verfolgungsjagden, an Gemeinheiten und Hinterhältigkeiten, an Katastrophen, an unvorhersehbaren Wendungen denken kann. Soziale Konflikte müssen genauso herhalten wie beängstigende Zukunftstechnologien. Ein argloser Protagonist ist all dieser Dramatik naiv ausgeliefert. Und dazu wird noch eine Schippe Freundschaft und Liebe darübergestreut. Zuviel, zuviel, zuviel von allem!