leider viel zu viel Theorie und zu wenig Gefühl

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sparklesandherbooks Avatar

Von

„Zwei Teilchen können so miteinander verschlungen sein, dass ihre Verbindung sich nicht mehr lösen lässt. Für den Rest ihrer Existenz.“

(Evie zu ihrem Lehrer in Can you help me find you)


Worum geht’s?


Evie ist kein normales Mädchen. Geprägt von dem Leben mit einer Psychologin als Mutter und einem Mathematiker als Vater, begrabt in Naturwissenschaften und Überfliegerin in Mathematik, wurden ihr auch zahlreiche Ängste und ein fehlender Sinn für das menschliche Miteinander mit in die Wiege gelegt. Doch immerhin hat sie ihren besten Freund Caleb. Seit ihrer Kindheit ist er an ihrer Seite und passt auf sie auf. Was Evie nicht weiß: Caleb ist schon ewig in sie verliebt. 15 Beinaheküsse inklusive. Evie hingegen interessiert sich nicht für Jungs und schon gar nicht fürs Küssen und erst recht nicht mit Caleb. Aber der Neue an der Schule, Leo, flirtet mit ihr und in seiner Gegenwart empfindet sie unbekannte Gefühle. Sehr zum Frust von Caleb, der auf die Idee kommt, Evie online als Fremder zu kontaktieren. Und somit ist das (Gefühls-)Chaos perfekt…


Can you help me find you ist ein Einzelband und in sich geschlossen.

Schreibstil / Gestaltung


Das Cover ist in einem zarten Rosa gehalten und wird von schwarzen schemenhaften Figuren geziert, die am Handy sind. Die männliche Figur hält sich hierbei zweifelnd den Kopf. Die Gestaltung ist sehr schön, dezent und zugleich süß. Der Titel hat direkten Bezug zum Inhalt des Buches. Sowohl Cover als auch Titel deuten auf eine Zugehörigkeit zum Romance-Genre hin. Das Buch wird wechselnd aus Sicht von Evie und Caleb erzählt, die Kapitel sind entsprechend übertitelt. Man merkt jedoch auch inhaltlich, wer erzählt, da Evies Kapitel sehr sachlich sind, während Caleb etwas kraftvoller ist. Der Schreibstil ist insgesamt eher nüchtern und sehr schnelllebig. Das Buch enthält zahlreiche Anspielungen auf Naturwissenschaften, insgesamt ist es aber sprachlich recht jugendlich gehalten. Das Buch beinhaltet keine explizite Sprache und keine Intimszenen.


Mein Fazit


Can you help me find you klang nach einem klassischen, aber zeitgleich herrlich erfrischenden Buch. Die Konstellation verliebter bester Freund mit dem Schulneuling und dann auch noch dem Onlineflirt verspricht bereits viel Trubel. Dies kombiniert mit dem recht ungewöhnlichen Ort (eine Schule für naturwissenschaftlich begabte Kinder) und einer etwas anderen Protagonistin versprach viel Lesefreude. Doch leider kam alles anders.


Die Newton Academy ist der Traumort für Evie: Unter vielen Gleichgesinnten, die begabt und begeistert hinsichtlich Naturwissenschaften sind, ist es endlich ein Ort, wo Evie keine Angst haben muss, gemobbt zu werden oder nicht verstanden zu werden. Nur an der zwischenmenschlichen Kommunikation hapert es noch ein wenig, aber hierfür hat sie ja ihren besten Freund Caleb und ihre Freundin Bex. Als eines Tages im Physikunterricht Leo auf den Plan tritt und Evie mit seiner Herangehensweise überrascht, ist ihr Interesse an ihm geweckt. Ein Interesse, was sie bisher nie gespürt hat. Und ein Interesse, von dem Caleb hofft, dass es nur eine Phase ist. Denn seit Ewigkeiten ist er in seine beste Freundin verliebt und war sich immer sicher, dass sie eines Tages auch ihre Gefühle für ihn erkennen wird. Doch er kann nichts tun. Schritt für Schritt schleicht sich Leo auf den Platz an Evies Seite, den Caleb insgeheim immer für sich beansprucht hat. Und von dem jeder wusste, dass er Caleb gehört und gehören wird. Nur Evie offenbar nicht. Und je ernster es mit Leo wird, desto mehr muss Caleb sich eingestehen, dass er nicht ihr erster Kuss sein wird. Doch seiner besten Freundin zuliebe macht er gute Miene zum bösen Spiel und unterstützt sie, wo es nur geht. So kommt es auch, dass er ihr helfen möchte, zum nationalen Wettbewerb Frontier zu gehen. Letztes Jahr erlitt Evie einen Nervenzusammenbruch auf dem Weg zum Wettbewerb. Mit Caleb an ihrer Seite sollte es doch dieses Mal klappen, oder? Aber es wird kompliziert, als während der Vorbereitungsphase plötzlich Milo auf den Plan tritt – ein unbekannter Frontierteilnehmer, den Evie im Netz kennenlernt und zu dem sie sich hingezogen führt. Was Evie nicht wissen kann: Caleb hat Milo ins Leben gerufen, um Evie endlich für sich zu gewinnen. Plötzlich steht Evie gefühlsmäßig zwischen Leo und Milo – und eigentlich sind da auch noch Gefühle für Caleb.


Ich hatte nie Probleme mit Mathematik. Oder mit Naturwissenschaften. Sicher, ich bin auch kein Genie wie Evie, aber im Gegensatz zu vielen waren die Fächer für mich nie ein Graus. Daher fand ich die Idee, mal etwas untypische Charaktere (Hand aufs Herz, normalerweise würde man sie wohl als Streber betiteln und in den Büchern geht’s ja meistens um die Cool Kids, Sportler etc.) an einem eigentlich klassischen Ort (eine Schule) zu nutzen, sehr ansprechend. Auch die Dreier- bzw. Vierer-Konstellation versprach viel Drama, Verwirrung und Witz. Doch am Ende wurde recht wenig von meiner Erwartung erfüllt. Can you help me find you ist ein Buch, was in die Handlung integriert sehr viel Mathematik, Physik und Spezialwissen einbaut. Ich rede dabei nicht von seitenlangen Abhandlungen, aber oftmals kam es mir so vor, als sei die Mathematik und die hiermit verbundenen Gedanken im Vordergrund – und eben keine Liebesgeschichte. Es wird regelmäßig von Ansätzen, Theorien, Modellen und anderen naturwissenschaftlichen Themen gesprochen. Eigentlich kein Problem, sollte man meinen. Ich habe mich aber irgendwann komplett verloren gefühlt. Denn es werden Namen genannt, bestimmte Theorien eingeführt, Sachen als selbstverständlich hingestellt (etwa Evies Frontierprojekt, wo ich bis heute nicht verstanden habe, was es ist und was der Sinn davon sein soll) und sehr wenig erklärt. Ich möchte aber eigentlich auch gar nicht, dass es erklärt wird, weil dann das Thema wohl noch mehr ausufern würde. Aber zeitgleich möchte ich auch nichts vor den Latz geknallt bekommen, was ich überhaupt nicht, nicht einmal ansatzweise, begreifen kann. Und so kam es schon bald dazu, dass die Handlung für mich sehr zäh, sachlich und ein Stück weit auch langweilig wurde. Es ist einfach sehr viel Theorie und mathematisches Fachwissen in das Buch eingebracht. Ich frage mich vor allem, wie das erst für einen Jugendlichen sein muss, der in der Schule vielleicht gerade Wahrscheinlichkeitsrechnung oder Ableitungen lernt.


Der oftmals im Fokus stehenden Mathematik fällt es leider auch zum Opfer, dass ich das Gefühl hatte, oftmals nicht in die Köpfe hineingucken zu können. Evie gewährt immer nur sehr kurze Einblicke in ihre Gedanken, noch weniger in ihre Gefühle. Es ist, als würde sich bei ihr alles um die Naturwissenschaften drehen. Das führt dazu, dass ihre Gefühle nicht greifbar waren und ihre Entscheidungen für mich nicht immer nachvollziehbar waren. Sie kam mir extrem sprunghaft vor und an einigen Stellen, insbesondere was dann die Liebesthematiken angeht, wirkte es auch so, als wäre hier jetzt was konstruiert. Ich habe weder verstehen können, was sie an Leo toll findet (abgesehen von seiner offenbar grandiosen Lösung einer Hausaufgabe), noch, was sie später an Milo gutfindet, den sie online kennenlernt und bei dem sie bereits nach einer Handvoll Nachrichten irgendwie total verliebt ist. Einzig die Abneigung gegenüber einer Beziehung mit Caleb war nachvollziehbar, wieso sich später ihre Gefühle und Gedanken diesbezüglich ändern, habe ich aber auch nicht ganz begreifen können. Insgesamt ist Evies kaum vorhandene Gefühlswelt sehr wirr, sprunghaft und nicht stimmig. Die Autorin hat ihr mehr Liebe zur Mathematik als zu Menschen mit auf den Weg gegeben, was aber dazu führt, dass es krampfhaft wirkt, wie sie mit Leo flirtet, wie sie mit Milo flirtet und wie sie Caleb abweist.


Bereits der Anfang des Buches hat dazu geführt, dass ich immer mal wieder das Buch weggelegt habe. Ich sagte ja bereits, dass es teilweise sehr zäh war. Es dauert ewig, bis man das Gefühl hat, in der Geschichte angekommen zu sein. Bei mir trat diese Effekt etwa nach der Hälfte auf, wo es langsam um das Thema Frontier und Milo ging. Bis dahin passiert hier mal ein bisschen, da mal ein bisschen, die komische gekünstelte Beziehung zu Leo wird immer wieder thematisiert und auch Calebs recht offene Abneigung gegenüber der Beziehung ist Thema. Es gibt ein paar Unterrichtsstunden, ein paar Therapiestunden und ein bisschen Drumherum. Aber es wirkte so, als gäbe es keinen roten Faden, als hätte die Autorin einfach darauf losgeschrieben und das führt auch dazu, dass der Schreibstil sehr sachlich, präzise und vor allem sehr abhandelnd rüberkommt. Dialoge sind abgehakt, es gibt keinen richtigen Flow und eine gewisse Sprunghaftigkeit macht sich breit. An vielen Stellen kam mir das Buch so nüchtern vor, dass es sich eher wie ein Drehbuch liest. X tut dies, Y tut das, X sagt jenes, Szenenwechsel. Die zweite Hälfte wird zumindest hinsichtlich des roten Fadens besser, der Erzählstil bleibt recht gleich. Als Milo in Evies Leben tritt, wird es etwas chaotisch. Die beiden chatten über die Frontier-Seite, dem Leser werden aber nur sehr wenige Chats gezeigt. Das führte unweigerlich dazu, dass ich nicht verstanden habe, wie Evie so schnell von Milo so begeistert sein konnte. Generell wirkte es immer so, als würde Evie sich direkt verlieben – oder eben verlieben müssen, weil das jetzt so erwartet wird. Das Warum, das Wie, das blieb für mich stets offen.


Was ich jedoch thematisch stark fand, war die Entwicklung von Evie. Anfangs ist sie noch sehr zurückhaltend, geprägt von ihren Ängsten und den Einflüssen ihrer Eltern. Mit der Zeit wird sie selbstsicherer, auch ihre Therapie hilft ihr sehr dabei. Sie weiß, was sie will. Sie kann besser einschätzen, was sie sich zumuten kann. Und sie ist auch bereit, für ihre Träume zu kämpfen. Im Hintergrund des Buches schlummert nämlich vor allem mit ihrer Mutter ein Konflikt. Ihre Mutter als Psychologin sieht Evie offenbar permanent als Forschungsobjekt, zeigt oftmals übergriffiges Verhalten und bevormundet Evie in vielen Punkten. Den Höhepunkt findet das Ganze später beim Frontier. Hier muss ich sagen, dass die komplexe Beziehung von Mutter und Tochter für meinen Geschmack zu einfach abgehandelt wird, aber zumindest ein starkes Signal durch Evie gesetzt wird. Was auch irgendwie etwas halbgar eingeführt wurde, war die Kritik an dem System, dass Mädchen unterschätzt werden und in den Naturwissenschaften unterrepräsentiert sind. Immer mal wieder kommt das am Rande vor, was ich durchaus begrüße, aber zugleich das Gefühl hatte, die Autorin hat es unbedingt einbringen wollen, aber dann nicht zu Ende gebracht. Denn die Anmerkungen verpuffen einfach.


Zu den Charakteren kann ich eigentlich nur sagen: Evie ist ein komplexer Charakter. Man kann bei ihr gut erkennen, wie schwer das Leben sein kann, wenn man Emotionen nicht unbedingt erkennt. Von ihren vielen Ängsten geprägt hat sie es schwer im Leben und wird auch oftmals unterschätzt, da sich viele nicht vorstellen können, dass sie wirklich so ein Genie ist. Ich bin mit Evie leider durch das ganze Buch hindurch nicht wirklich warm geworden. Sie wirkt zwar nett, aber gleichzeitig unnahbar. Sie hat an der Schule oftmals aber auch den Namen Eiskönigin, was in meinen Augen passt. Caleb hingegen ist ein sehr lebhafter Charakter, der sehr kraftvoll ist. Er prügelt sich hin und wieder, er flucht gelegentlich, aber vor allem achtet er immer auf Evie. Es ist, als wäre sie sein Lebensmittelpunkt, was sehr süß ist. Er hat ein wenig den Ruf als Schulromeo weg, da er – zur Ablenkung von Evie -regelmäßig datet. Der weitere Charakter im Bunde, Leo, wirkt sehr platt und eindimensional. Er soll wohl der klassische Good Guy sein, den jeder toll findet. Erfrischend ist Evies beste Freundin Bex, die leider viel zu selten vorkommt. Mit ihrer Art bringt sie Leben ins Buch, hilft Evie und bricht die starren Naturwissenschaftsstrukturen etwas auf. Weitere Charaktere sind recht blasse Randcharaktere, die nicht weiter nennenswert sind.


Insgesamt muss ich sagen, dass ich mir so sehr gewünscht hätte, dass das Buch mir gefällt. Die Grundidee und auch zahlreiche der Nebenhandlungen haben mir sehr gut gefallen und die starke Entwicklung der Evie war toll zu erleben. Aber die Umsetzung des Buches, die Erzählweise, die Sprunghaftigkeit und auch die fehlende Greifbarkeit der Emotionen zwischen den Charakteren führte dazu, dass ich kaum Bindung aufbauen konnte. Nach einer wirklich sehr zähen ersten Hälfte ist die zweite Hälfte zwar deutlich besser, aber unterm Strich war dies einfach nicht mein Buch. Das Verhältnis von Naturwissenschaften zu Gefühlen führt hier dazu, dass man sich verloren fühlt. Es bleibt ein etwas anderes Buch, was aus dem klassischen Genre ausbricht, hierbei aber auch sicher nicht jeden ansprechen kann und wird.


[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]