Wenn Liebe doch nur eine einfache Matheaufgabe wäre

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elke seifried Avatar

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Evie, ihre Begeisterung für Mathe und die eine oder andere Angststörung war schon immer ein ganz besonderer Mensch. Kaum einen hat sie je an sich herangelassen, doch zwischen sie und Caleb passt seit Kindertagen kein Blatt. Er vergöttert sie, sie kann sich auf ihn verlassen und die beiden haben eine ganz besondere Beziehung. Ganz klar, bewirbt er sich deshalb auf ihre Bitte hin an der Newton Academy, fest in dem Glauben an der Eliteschule für Genies in Naturwissenschaften sowieso keine Chance zu haben. „Als wir zu meiner immerwährenden Überraschung beide eine Zusage per Post bekamen, versuchte ich, es Evie auszureden. Trotz des rosigen Bilds, das sie mir von Tagen malte, die man mit Programmieren und dem Bau von Robotern verbringen würde, wollte ich meine Familie in Wisconsin nicht für eine praktisch reine Jungsschule im Süden von Illinois verlassen, um dort Schuluniform zu tragen und mir den Ar… aufzureißen.“. Und genau dort landet man als Leser mit den beiden.

Evie geht die erste Zeit völlig in ihren Matheprojekten auf und endlich hat sie auch eine Therapeutin gefunden, die ihr erstaunlich gut hilft, ihre Ängste in den Griff zu bekommen. Nächster Schritt soll laut der nun sein, Freundschaften und Kontakte zu knüpfen. Wozu? Caleb und Bex, das Mädel, mit der sich beide auf Anhieb gut verstanden haben, weil sie auch ein wenig speziell ist, genügen ihr doch völlig! Doch dann kann Leo Evies Aufmerksamkeit in einem Kurs mit einem ausgetüftelten mathematischen Beweis auf sich lenken und bringt damit eine Lawine ins Rollen, denn Evie lässt sich nun ernsthaft durch den Kopf gehen, ob an der Sache mit den Jungs und dem Küssen, vielleicht doch etwas dran sein könnte. Für Caleb indessen gilt, „Evies Interesse an Leo will mir einfach nicht in den Kopf. Denn in welchem Universum ergibt es irgendeinen Sinn, dass sie sich für jemanden anderen entscheidet? Ich bin schließlich ihr bester Freund. Und ich liebe sie. Außerdem hätte ich sie schon vierzehnmal fast geküsst.“. Wer wird Evies Herz am Ende erobern können? Das wird natürlich nicht verraten, nur vielleicht so viel noch, Bex Meinung dazu lautet, „Du liebst sie doch. Soweit ich das beurteilen kann, liebst du sie schon immer. Und trotzdem hast du drei Jahre damit zugebracht, jedes einzelne Mädchen an der Newton zu daten, das nicht Evie ist. Und jetzt willst du dich einfach zurücklehnen und nichts sagen, während sie was mit einem blauäugigen, wuschelhaarigen, fußballspielenden Briefmarkensammler anfängt?

„Ich kann Caleb nicht riskieren. Ohne ihn wüsste ich nicht mal wie ich Evie sein soll [. …] Sein Festsein rundet meinen Kreis.“ Richtig toll lässt die Autorin spüren welche besondere Atmosphäre zwischen Evie und Caleb herrscht und das macht die Geschichte einfach so rührend. Hoffnungen wie, „Vielleicht hat sie mich deshalb abgewiesen? Nicht, weil sie nicht fühlt, sondern weil sie nicht zu viel fühlen will.“, Ängste den anderen zu verlieren, kleine Eifersüchteleien, dann noch Calebs Idee als unbekannter Chatpartner, Evies Herz zu erobern, aber auch ein wenn ich sie wirklich liebe, muss ich ihr den Weg freimachen, machen den Roman zu einer tollen Liebesgeschichte, ohne kitschig zu werden.

„Manchmal frage ich mich, wer den größeren Schaden hat: Bex mit ihrem Vater, der all die schlimmen Stellen aus der Bibel wörtlich nimmt, oder ich mit einer Mutter, die das Handbuch der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft für einen Erziehungsratgeber hält.“ Auch Problemen mit Eltern wird hier ein Augenmerk gewidmet. Während mich Bex religiöse Eltern, denen sie versprochen hat, keine Dates mit Jungen zu haben, eher amüsiert haben, hat mir das Verhältnis von Evie und ihrer Mutter in der Seele wehgetan. Nur schwer konnte ich Verständnis für die Frau aufbringen, die ihrer Tochter mit ihrer Art das Leben so schwer macht. „Ich bin keine Statistik. Ich bin deine echte, lebende Tochter. Und ich gehe nicht damit um, indem ich so tue, als wäre das nicht da, oder indem ich mir ein Horoskop erstellen lasse. Eine Psychologin behandelt mich und es funktioniert. Es wäre toll, wenn du dich richtig darüber freuen könntet, anstatt außer dir zu sein.“

Die Geschichte wird kapitelweise abwechselnd aus Evies und Calebs Sicht erzählt und daher ist man beiden ganz nah, kennt ihre Gefühle und kann so richtig mitfiebern für die zwei. Immer wieder hat mich die Autorin mit den Gedanken, die sie Evie und Caleb in den Kopf legt, lächeln und grinsen lassen. Ein Beispiel dafür ist, „Küssen kam mir seltsam vor und, ehrlich gesagt, ein bisschen unhygienisch. Ich wollte niemandes Spucke – nicht mal Calebs – auch nur in der Nähe meines Munds. Aber Leo bewirkt, dass ich mich frage, ob an dieser ganzen Küsserei eventuell doch was dran ist.“ Auch pointiert, witzige Kommentare haben das Lesen zum Vergnügen gemacht. „Das macht man nicht wegen einer angeblich tollen Baumwollmischung.“, heißt es schon mal, wenn jemand ertappt wird, wie er in einem T-Shirt des anderen schläft, wenn sich zwei zu nahe kommen beim Lernen, gibt’s Kommentare a la „Vielleicht willst du noch ein bisschen Luft zwischen euch lassen, Evie? Ich glaube nicht, dass er es durch Osmose lernt.“, oder von einer Bex kann schon mal ein eigentlich nett gemeintes, «Ich wollte schon fragen, ob du dir alle Verrücktheit von der Seele gequatscht hast, aber offensichtlich ist da noch einiges zu tun», kommen. Gut haben mir auch ausgefalle, besondere Vergleiche der Art, „Ich hätte gedacht, das würde mir gefallen, aber irgendwie ist das wie Popcorn zum Abendessen. Im Moment zwar nett, aber dann wünscht man sich eher etwas Richtiges.“, gefallen. „Die Wiederholung des Begriffs >>Clifford-Algebra-Faserbündel<< hat dann mein Gehirn abgeschaltet.“. Die Kids sind an einer Schule für Genies in Mathe, Chemie oder Physik, daher geht es in den Schulprojekten, die eben auch einen Teil der Geschichte ausmachen, um komplexe Theorien und Beweise. Auch wenn sich mein Gehirn nicht gleich abgeschaltet hat, hätte mir ein klein wenig knapper auch genügt.

Ich habe Evie und Caleb von Anfang an ins Herz geschlossen. Sie sind mit ihren Macken, ihren Stärken und ihrer liebenswürdigen Art individuell, authentisch und sehr gelungen dargestellt. Richtig toll fand ich auch Bex, über die ich schmunzeln konnte, die mich aber auch ganz oft gerührt hat. Auch Leo, obwohl er ja Calebs Platz streitig macht, muss man einfach mögen. Erwähnen möchte ich auch noch ein, zwei Jungs, die immer wieder mal stänkern und eine Mutter, die nicht aus der Haut kann, aber man muss ja nicht alle mögen.

Alles in allem ein Roman über eine etwas außergewöhnliche Teenieliebe, der zu Herzen geht, immer wieder ein Grinsen aufs Gesicht zaubert und bei dem man mitfiebern kann, auch wenn man sind nicht für Mathe, Paralleluniversen und Co interessiert. Noch fünf Sterne sind da schon drin.