Bill Kaulitz' Biografie über Erfolg, Hass und die Suche nach Liebe

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Zu Beginn hat mich Bills Buch in vielerlei Hinsicht überrascht. Zum einen, weil es sich erstaunlich gut lesen ließ, zum anderen weil sich seine „rotzfreche“, vulgäre Sprache kaum mit dem Bill in Verbindung bringen lässt, der heutzutage in Interviews und Podcasts zu Wort kommt. Und wow, ich hatte ja keine Ahnung. Wir erfahren in Career Suicide viel über die Kindheit und Jugend der Kaulitz-Brüder im ostdeutschen Dorf Liotsche, über die Skrupellosigkeit des Musikbusiness, über eine eiskalte Presse und den erschöpfenden Erfolg nach „Monsun“. Wir erfahren einiges über Drogen-, Alkohol- und Sexeskapaden, über eine stalkende Fangemeinschaft und das Promi-Leben in L.A.
Auf den knapp 380 Seiten gibt sehr viele Ausrufezeichen und zu viele sexualisierte/abwertende Begriffe. Generell scheint sich die ganze Wut und Enttäuschung, die sich über die vielen Jahre des Erfolgs bei Bill aufgebaut hat, nun zwischen den Seiten zu entladen. Irgendwie kann ich mich nicht entscheiden, ob mir seine unmittelbare Erzählung gefällt, weil sie genau das widerspiegelt, was er damals in dieser und jener Situation gefühlt und gedacht hat. Oder ob ich mir an vielen Stellen lieber eine rückblickende und reflektierte Einordnung durch den erwachsenen Bill gewünscht hätte. Generell wird in Career Suicide viel verallgemeinert, viel in einen Topf gesteckt und ja, auch ständig das eigene Ego über das all der anderen gestellt. Wie Bill selbst in seinem Nachwort eingesteht, mag das ziemlich „arrogant“ wirken. So richtig nahe kommt man ihm daher nicht, vor allem, weil sein Leben so wahnsinnig surreal wirkt. Nur wenn er immer wieder die Tiefe Verbundenheit zu seinem Zwillingsbruder Tom schildert und über seine eigenen Ängste und die ewige Suche nach der einen großen Liebe schreibt, beginnt man zu verstehen, wer dieser Sänger abseits von Tokio Hotel wirklich ist. Es sind Szenen, in denen Bill von Zukunfts- und Versagensängsten, von Findungsphasen und Mobbing, vom Ausbrennen und dem täglichen Kampf gegen den Hass berichtet, die das Buch trotz allem für mich so lesenswert gemacht haben. Ich war nie Tokio Hotel-Fan und werde die Musik der Band auch wohl nie mögen. Career Suicide schildert dennoch sehr schonungslos, welchen Preis die vier Jungs und vor allem Bill und sein Bruder für ihren Welterfolg zahlen mussten. Und wie es wohl sein muss, Bill Kaulitz zu sein.