Man muss kein Tennisfan sein um dieses Buch zu lieben

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waterlilly Avatar

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Wer hätte gedacht, dass mich ein Roman über eine Tennisspielerin dermaßen in den Bann ziehen wird? Ich habe mir nie ein Match im Fernsehen angeschaut und von diesem Sport überhaupt keine Ahnung.
In „Carrie Soto is back“ geht es um eine einst sehr erfolgreiche Sportlerin, die es noch ein letztes Mal wissen will. Eine Konkurrentin ist kurz davor, Carries Weltrekord zu brechen und dies will sie um jeden Preis verhindern.
Eins kann ich vorneweg nehmen – in diesem Buch wird wirklich sehr viel Tennis gespielt. Ich schätze, 80 Prozent der Geschichte findet auf dem Platz statt, die einzelnen Matches werden sehr detailliert beschrieben und die Gespräche kreisen auch überwiegend um dieses Thema. Die Autorin konfrontiert ihre Leser mit Fachjargon und Trainingsstrategien und bleibt dabei jederzeit für Laien verständlich, mehr noch, sie schafft es den Leser für den Sport zu begeistern.

Carrie Soto ist als eiskalte Kampfmaschine bekannt. Sie hat keine Freunde und die meisten Leute fühlen sich von ihrer offen zur Schau getragenen Arroganz und Direktheit vor den Kopf gestoßen. Taylor Jenkins Reid kreiert eine Protagonistin, die auf den ersten Blick wenig sympathisch ist, für die man sich aber trotzdem schnell erwärmt. Man sucht kontinuierlich nach dem weichen Kern hinter der harten Schale und die wenigen Sekunden, in denen sie ihre Menschlichkeit aufflackern lässt, genügen, um sich bestätigt zu fühlen, dass ihr wahres Ich eigentlich ein anderes ist.
Ich habe mit Carrie mitgefiebert, man möchte, dass sie gewinnt, dass sie es schafft, alle zu besiegen. Mit jedem beschriebenen Tennisspiel stieg die Spannung und die Aufregung und man hoffte auf Fehler des Gegners. Ich habe mich gedanklich richtig in die Spiele hineingesteigert und fühlte mich live dabei.
Wie auch schon in „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ gelingt es Taylor Jenkins Reid, eine Geschichte zu erschaffen, die fiktiv ist, die sich aber trotzdem völlig real anfühlt. Kurze Einschübe, die die Dialoge von Sportkommentatoren und Zeitungsartikeln wiedergeben verstärken den Eindruck.

Je länger man liest, desto mehr schließt man die Charaktere in sein Herz. Carries Vater Javier und ihr Tenniskollege Bowen waren zwei Menschen, die dazu beigetragen haben, dass ich das Buch sehr mochte. Auch Carries Konkurrentin Nicki Chan war toll.
Anhand von diesen Charakteren macht die Autorin auch auf die Oberflächlichkeit des Tennissports aufmerksam. Wer blond, schlank und gutaussehend ist, bekommt Werbeverträge fast ganz von allein, egal, welchen Platz man auf der Weltrangliste hat. Carrie und Nicki müssen ihre Sponsoren mit Leistung überzeugen, weil sie eben nicht dem typischen Schönheitsideal entsprechen.

„Carrie Soto is back“ ist ein Buch über das Gewinnen und das Verlieren und zwar in allen Bereichen. Carrie wächst im Laufe der Geschichte so sehr über sich hinaus und reflektiert ihr eigenes Verhalten, dass sie nur als Gewinnerin enden kann, egal, was auf dem Tennisplatz passiert.

Dies war mein zweites Buch von Taylor Jenkins Reid und ich fand auch dieses sehr gelungen. Im direkten Vergleich nicht ganz so gut wie „Evelyn Hugo“ aber auf jeden Fall sehr lesenswert vor allem, da es durch die Tenniswelt thematisch mal etwas ganz anderes ist und ich es einfach toll finde, wie sehr mich die Autorin für die Dauer des Buches für den Sport begeistern konnte. Die einzige Sache, die mich ein wenig genervt hat, waren die vielen spanischen Dialoge zwischen Carrie und ihrem Vater, die auch nicht übersetzt werden und die ich mir teilweise nur zusammenreimen konnte.