Spannend und verstörend
Ein sehr spannender, verstörender Roman. Die Leser/innen folgen der Perspektive der 28-jährigen Sam, die mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester in prekären Verhältnissen im Staat Washington lebt. Sie kann nirgends mithalten, verkauft Snacks auf einer Fähre, fühlt sich ungesehen, während um sie herum die Menschen über Dinge reden, die sie sich nicht leisten kann: „Wie Aschenputtel /…/ verrichtete Sam eine unbedeutende Arbeit, doch kein Prinz würde sie je davon erlösen“ (S.11). Die Welt der Märchen zieht sich durch den Roman und zeigt Sams inneren Stillstand auf der Ebene der Kindheit. Die Mutter der beiden Schwestern ist seit Jahren arbeitsunfähig, sie hat in einem Nagelstudio gearbeitet, ebendiesen Leuten die Nägel lackiert und ist an den Dämpfen und Chemikalien erkrankt. Ihre Arzt- und Krankenhauskosten verschlingen das Geld, das die Schwestern verdienen. Sie lieben sie sehr und erinnern sich an die wundervolle, schöne Mutter, die sie war. Die Pflege obliegt weitestgehend Elena, die sich um alles kümmert – Pflege, Haushalt, Finanzen. Samantha bleibt passiv und überlässt alles ihrer großen Schwester, ohne zu sehen, dass diese unter der Last fast zusammenbricht. Sams ersehnte Erlösung liegt in einer Zukunft mit Elena.
Die Kindheit der beiden Frauen verlief unbeschwert, wenn sie in ihre eigene Welt in der Natur eintauchen konnten. Dann bemerkten sie ihren Außenseiterstatus nicht. Draußen war das Paradies – frei und fernab von ökonomischen Zwängen. Zu Hause herrscht ein unberechenbarer, gewalttätiger Freund der Mutter, bis diese ihn mit Unterstützung des Jugendamtes hinauswirft. Als Samantha am Ende ihrer Grundschulzeit aufgrund ihrer Lebensverhältnisse offene Ablehnung erfährt, kapselt sie sich ab und verfolgt in ihrer Fantasie weiter die Welt ihrer gemeinsamen Kindheitsträume: Sie wird nach dem Tod der Mutter mit Elena von dem leben, was der Verkauf ihres Grundstücks erbringt, und ein neues Leben beginnen. Alles, was sich die beiden in jungen Jahren vorgestellt haben, soll dann wahr werden. Etwas Anderes ist nicht denkbar. So nimmt Sam keine sozialen Kontakte auf, flüchtet sich in unverbindlichen Sex, lebt ganz auf sich und Elena bezogen. „Sam wartete darauf, dass sich ihr Leben änderte. Sie wartete schon sehr lange“ (S.17).
Ein Grizzly, der während der Rundfahrt der Fähre gesichtet wird, tritt in ihr Leben. Er nähert sich ihrem Haus und stellt eine Bedrohung dar, eine Naturgewalt, die nicht vorgesehen war. Elena sieht die Präsenz des mächtigen Tieres als Faszinosum, sie weicht ihm nicht aus, sondern sucht dessen Nähe. Die Gefahr und die Möglichkeit, sie zu bannen, werden zu einem Fixpunkt in ihrem Leben. Auch sie ist plötzlich in der märchenhaften Welt angekommen, explizit wird dem Roman eine Passage aus „Schneeweißchen und Rosenrot“ vorangestellt. Sam hat Angst vor dem Tier und nimmt Kontakt zu einer Biologin auf, die helfen soll. Gleichzeitig stößt sie diese jedoch zurück, wenn sie ihr vermeintlich sehr in den Lebensbereich der Schwestern eindringt.
Wie sehr Sam sich von Elena wirklich entfernt hat, wird offenbar, als die Mutter stirbt. Elenas Träume sind längst nicht mehr die ihrer Schwester, sie konfrontiert Sam mit der brutalen Realität: Nie werden sie gemeinsam weggehen, das Paradies existiert nicht mehr, Elena möchte ein eigenes, ein wirkliches Leben. Sam will das nicht wahrhaben, sie negiert alles, was Elena sagt und was sich ihr nach und nach offenbart. Ihre Leugnung führt in die Katastrophe. Doch selbst dann kann Sam sich nicht aus der Welt des Träumens befreien – sie deutet das Geschehen um, sodass es in ihre Märchenwelt passt.
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, vorwiegend kurze Sätze werden aneinandergereiht und spiegeln damit Sams kindlich-naive Weltsicht. Die Handlung entfaltet einen Sog, der das Unheil ahnen lässt, das sich anbahnt. Ein Roman, den man nicht vor der letzten Seite aus der Hand legt.
Die Kindheit der beiden Frauen verlief unbeschwert, wenn sie in ihre eigene Welt in der Natur eintauchen konnten. Dann bemerkten sie ihren Außenseiterstatus nicht. Draußen war das Paradies – frei und fernab von ökonomischen Zwängen. Zu Hause herrscht ein unberechenbarer, gewalttätiger Freund der Mutter, bis diese ihn mit Unterstützung des Jugendamtes hinauswirft. Als Samantha am Ende ihrer Grundschulzeit aufgrund ihrer Lebensverhältnisse offene Ablehnung erfährt, kapselt sie sich ab und verfolgt in ihrer Fantasie weiter die Welt ihrer gemeinsamen Kindheitsträume: Sie wird nach dem Tod der Mutter mit Elena von dem leben, was der Verkauf ihres Grundstücks erbringt, und ein neues Leben beginnen. Alles, was sich die beiden in jungen Jahren vorgestellt haben, soll dann wahr werden. Etwas Anderes ist nicht denkbar. So nimmt Sam keine sozialen Kontakte auf, flüchtet sich in unverbindlichen Sex, lebt ganz auf sich und Elena bezogen. „Sam wartete darauf, dass sich ihr Leben änderte. Sie wartete schon sehr lange“ (S.17).
Ein Grizzly, der während der Rundfahrt der Fähre gesichtet wird, tritt in ihr Leben. Er nähert sich ihrem Haus und stellt eine Bedrohung dar, eine Naturgewalt, die nicht vorgesehen war. Elena sieht die Präsenz des mächtigen Tieres als Faszinosum, sie weicht ihm nicht aus, sondern sucht dessen Nähe. Die Gefahr und die Möglichkeit, sie zu bannen, werden zu einem Fixpunkt in ihrem Leben. Auch sie ist plötzlich in der märchenhaften Welt angekommen, explizit wird dem Roman eine Passage aus „Schneeweißchen und Rosenrot“ vorangestellt. Sam hat Angst vor dem Tier und nimmt Kontakt zu einer Biologin auf, die helfen soll. Gleichzeitig stößt sie diese jedoch zurück, wenn sie ihr vermeintlich sehr in den Lebensbereich der Schwestern eindringt.
Wie sehr Sam sich von Elena wirklich entfernt hat, wird offenbar, als die Mutter stirbt. Elenas Träume sind längst nicht mehr die ihrer Schwester, sie konfrontiert Sam mit der brutalen Realität: Nie werden sie gemeinsam weggehen, das Paradies existiert nicht mehr, Elena möchte ein eigenes, ein wirkliches Leben. Sam will das nicht wahrhaben, sie negiert alles, was Elena sagt und was sich ihr nach und nach offenbart. Ihre Leugnung führt in die Katastrophe. Doch selbst dann kann Sam sich nicht aus der Welt des Träumens befreien – sie deutet das Geschehen um, sodass es in ihre Märchenwelt passt.
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, vorwiegend kurze Sätze werden aneinandergereiht und spiegeln damit Sams kindlich-naive Weltsicht. Die Handlung entfaltet einen Sog, der das Unheil ahnen lässt, das sich anbahnt. Ein Roman, den man nicht vor der letzten Seite aus der Hand legt.