Ein kleines literarisches Juwel

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Dieser Roman fiel mir schon weit vor der deutschen Veröffentlichung ins Auge aufgrund des Covers und der Inhaltsbeschreibung. Für das Original gab es dutzende überschwängliche Rezensionen. Da ich mir trotzdem nicht sicher war, ob es thematisch meinen Nerv treffen kann, habe ich zunächst in die Leseprobe geschnuppert. Was mich vorwiegend beeindruckt hat, war die Qualität des Schreibstils: sensibel, feinfühlig, pochend, beinahe filmisch. Man merkt, dass sich der Autor intensiv mit der LGBTQ-Community auseinandergesetzt hat.

China in den 80er Jahren. Im Mittelpunkt des Romans steht das Arbeiter-Kino in Mawei City. Das Kino ist heruntergekommen, schmuddelig, dunkel – und somit ein heißer Treffpunkt. Homosexuelle Männer treffen sich hier, um ihrer verbotenen Liebe nachzugehen. Es kommt im Verlauf der Story zu einem Aufstand, der Tote und Verletzte nach sich zieht. Tang erzählt von den Schicksalen der Überlebenden über Jahrzehnte hinweg, sowohl damals in China als auch heute in New York. Er behandelt damit die Themen Migration, Gleichheit und Homosexualität auf eine ganz besondere Art und Weise und vor allem mit jeder Menge Fingerspitzengefühl. Das Buch wirkt besonders nachvollziehbar und eindringlich, wenn man es als Chronik der Migrationserfahrungen einer älteren Generation von China in die USA liest. Diese Menschen tragen vergrabene, aber unvergessene Traumata mit sich, erleben zerbrochene „amerikanische Träume“ und halten dennoch tapfer an ihren Sehnsüchten, Hoffnungen und Wünschen fest.

Seine Protagonisten hat der Autor hierfür präzise ausgewählt. So stehen bei ihm Menschen, die ein Faible für Kino und Filme haben, klar im Fokus. Dabei zeigt er ebenfalls auf, wie stark Filme uns und unseren Charakter beeinflussen können. Er wechselt in seiner Erzählung oft die Per-spektiven, was mich anfangs etwas verwirrt hat. Doch diese unterschiedlichen Blickwinkel sind unglaublich wichtig für die Story und ich fand sie zudem total faszinierend. Tang nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Mit seinen Schilderungen hat er mich völlig in seinen Bann gezogen. Meiner Meinung nach lässt die Handlung gegen Ende zwar etwas nach und hat das Potenzial nicht vollends ausgeschöpft, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Denn ansonsten hat Tang hier ordentlich abgeliefert.

Der Buchtitel hat seine volle Wirkung gezeigt, denn es war wirklich wie ein Film, der vor meinen Augen ablief. Emotional hat mich der Autor total abgeholt hat und nachdenklich gemacht. Diese Story wirkt definitiv nach und lässt einen die eigene Denkweise noch einmal neu reflektieren.

Fazit: Mit „Cinema Love“ ist Jiaming Tang ein gefühlvolles Debüt gelungen. Ein kleines literarisches Juwel der Neuzeit. Der Autor zeigt uns auf raffinierte Weise, dass die Themen der 80er Jahren immer noch topaktuell sind und regt damit (hoffentlich noch mehr Menschen) zum Nachdenken an.