Lass niemals die Show darunter leiden!

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"City of girls" spielt im New York der 1940iger Jahre. Hauptakteurin Vivian zieht 19jährig zu Ihrer Tante Peg nach Manhatten und taucht sofort und insbrünstig in ihr neues Leben ein. Ihre Tante besitzt ein heruntergekommenes Theater, das Lily's, und Vivian freundet sich mit den Schauspielerinnen an, entdeckt Musik, Tanz, Sex, Alkohol. Stets an ihrer Seite: das Revuegirl Celia, eine Freundin auf Zeit, wunderschön, lebenshungrig und risikobereit wie sie selber. „Celia sollte mir alles beibringen, was sie wusste - über Männer, über Sex, über New York, über das Leben-, und das tat sie gern."(S102) Das Eingreifen der Vereinigten Staaten in den 2. Weltkrieg, ihr weiterer Berufsweg, Nöte und Sorgen der Menschen um sie herum... alles Dinge, die an Vivian vorbeigleiten als hätten sie nichts mit ihr zu tun.

Als die berühmte englische Schauspielerin Edna Parker-Watson ins Lily Playhouse kommt, ist Vivian von der Frau - insbesondere von ihrem Stil und ihrem Auftreten - hingerissen! Das Ensemble des Lily's kreiert eine neue Show, die viel ehrgeiziger und aufwendiger als die bisherige seichte Unterhaltung ist und Edna Parker-Watson auch in New York zum Star machen soll.

Der Cocktail aus jugendlichem Überschwang und planloser Unbeschwertheit scheint ewig weiterzugehen aber dann kommt es zu einem Skandal, der es bis in die New Yorker Zeitungen schafft und Vivian dazu zwingt, reumütig zu ihren Eltern zurückzukehren. Vivians Sturz ist vollständig und bitter. Sie scheint sich völlig willenlos in ihr neues Leben zu fügen, ist mit dem langweiligen Bürojob im väterlichen Unternehmen ebenso zufrieden, wie mit dem Verlobten, den der Vater aussucht. Doch sie kommt noch einmal davon - gerade so - denn unvermittelt taucht ihre Tante Peg bei den Eltern auf und befreit Vivian aus ihrer Eintönigkeit.

Hier erkenne ich den wahren Kern des Buches - eine wortgewandte Arbeit über das Urteil über und die Bestrafung von Frauen. "Die dreckigen kleinen Huren hatte man entsorgt, der Mann durfte bleiben" (S315)

Aber Vivian erkennt auch, dass ihr Verhalten zwar Konsequenzen hat aber es führt nicht zu ihrem Untergang. "Irgendwann im Leben einer Frau wird sie es einfach satt, sich die ganze Zeit zu schämen", sagt Vivian später. "Danach ist sie frei, zu werden, wer sie wirklich ist." (S398) Vivians

Vivian kehrt also kurz vor Ende des 2. Weltkrieges nach Manhatten zurück, der Stadt ihres Lebens, die sie nicht mehr verlassen wird. Sie hilft zunächst ihrer Tante Peg bei der Zusammenstellung von Shows für die Arbeiter im Brooklyn Navy Yard und gründet nach Ende des Krieges gemeinsam mit Ihrer Freundin Marjorie ein eigenes kleines Geschäft. Sie lebt weiter ein unkonventionelles freies Leben, eines, das nur ihr gehört. 90 Jahre alt ist Vivian am Ende des Romans, der eigentlich ein Brief ist an die Tochter des einzigen Mannes, den sie je geliebt hat. Die Beziehung zu diesem Mann, einem Kriegsveteran, schwer verwundet an Körper und Seele, ist ebenso frei und andersartig wie ihr gesamtes Leben. Jahrelang wandert Vivian mit ihm durch das nächtliche New York, ohne dass es körperliche Berührungen gibt. Sie entwickelt sich zu einer Frau, die zu Freundschaft und Liebe fähig ist. "Ich habe früher gern behauptet, dass ich nur zwei Dinge gut beherrsche: Nähen und Sex. Aber da habe ich mich unter Wert verkauft, denn ich bin auch sehr gut darin, eine Freundin zu sein." (S.487)

Fazit:

Das Buch ist für mich das Statement einer selbstbewussten, emanzipierten Frau, die sich nimmt, was sie will. Selbstkritisch blickt die alte Vivian am Ende des Romans auf die Tollheiten ihrer Jugend zurück. Sie legt ihre Geschichte dar und die der Frauen um sie herum - Frauen, die so gelebt haben, wie sie wirklich sind. Ihr Resümee nach einem langen, selbstbestimmten Leben? „Die Welt folgt keinem Plan. Menschen haben ein bestimmtes Wesen, so ist das nun mal. Und Menschen passieren Dinge - Dinge, die sie nicht kontrollieren können.“ (S.467) Ein ganz und gar großartiges Buch!