Mehr Hollywood-Kopfkino geht nicht

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Das College interessiert Vivian Morris herzlich wenig. Genervt von seiner renitenten Tochter entlässt ihr Vater die 19-Jährige im Sommer 1940 zu ihrer Tante Peg nach New York. Die aus wohlbehütetem und spießigen Bürgertum stammende Vivian staunt nicht schlecht, als sie das Revuetheater ihrer Tante auf dem Times Square betritt. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Überlebenskünstlern geht hier ein und aus. Mit Revuegirl Celia verbindet Vivian eine enge Freundschaft. Mit ihr lernt sie das Nachtleben mit all seinen bunten und schäbigen Facetten kennen. Trunken von Musik, Cocktails und langen, heißen Nächten genießt sie das Leben in vollen Zügen in einer nicht endenden Party, bis der Krieg dem wilden Leben ein Ende bereitet.

Elizabeth Gilbert lässt Vivian als alte Frau ihr Leben sprichwörtlich revue passieren. Von Anfang an hatte ich das Bild eines Hollywood-Films voller Glitzer, Unterhaltung, schöner Menschen und Leidenschaft im Kopf. Vivian ist jung, naiv, verzogen und draufgängerisch. Ihre mitreißende Art und die Leidenschaft, Dinge anzugehen, macht Spaß zu lesen.

"In jenem Sommer suchen wir förmlich nach Scherereien, und wir hatten nicht die geringsten Schwierigkeiten, welche zu finden"

Im Vordergrund stehen die unterschiedlichsten Frauen, die ihr Leben allein in den 40er-Jahren meistern müssen. Als Rahmen dient ein altes, in die Jahre gekommenes, verstaubtes Revuetheater, das die untere Arbeiterschicht zu unterhalten versucht. Tante Peg, lebenslustig, schwermütig und gezeichnet vom Leben, versucht mit allen Mitteln, dem Theater alten Glanz zu verleihen. Insgeheim kann sie ihre Liebe des Lebens nicht loslassen, obwohl sie schon lange voneinander getrennt leben.

Die an eine verbitterte Gouvernante erinnernde Geschäftspartnerin von Peg, die jeden Cent Tag für Tag zählt und dem drohenden Bankrott nichts entgegenzusetzen hat. Aber wie ein Fels in der Brandung an Pegs Seite steht und für Vivian eine Schlüsselfigur wird.

Wunderschöne, blutjunge Revuegirls, die sehnsüchtig darauf hoffen, entdeckt zu werden, tanzen sich die Seele aus dem Leib. Doch mehr als ein schönes Anhängsel für einen alten Geldsack werden sie meistens nicht.

Ein junges Mädchen in einem Secondhandklamotten-Laden, das für ihre Eltern schuftet. Völlig unscheinbar, übersehen und fast schon verachtenswert, mit einem hellen Verstand und kreativen, wundervollen Ideen.

Der Wandel vom glitzernden New York in eine kriegsgebeutelte Stadt wird gut herausgearbeitet. Plötzlich wirken die Protagonistinnen erwachsen, überlegt und wenig kapriziös. Jede für sich hat ihr Päckchen zu tragen und nicht immer ist vorhersehbar, wohin sie das Leben führt.

Am Ende fast schon melancholisch schön, ist man rundherum gut unterhalten worden.