Träume eines Freigeistes im Kriegs- und Nachkriegs-New York

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Auf City of Girls war ich wirklich gespannt, besonders nachdem ich Elizabeth Gilberts Big Magic verschlungen hatte. Dann hörte ich von allen Seiten von diesem neuen Roman ... viel Vorablob, teilweise schon Hype, aber auch einige sehr kritische Stimmen von Freunden in den USA.

Ich hab' versucht, City of Girls davon völlig unbeeinflusst zu lesen, was mir letztendlich ganz gut gelungen ist, und das Buch hat mich sehr zwiespältig zurückgelassen.

Insgesamt fand ich City of Girls zu lang(atmig), so dass ich mehrere Abschnitte beinahe nur gescannt hätte. Da hat es für mich manchmal vom Timing her nicht gepasst, und das ließ meine Aufmerksamkeit schwinden, besonders dann, wenn Vivians etliche Liebschaften/Bettgeschichten erzählt wurden. Als ob Gilbert selber darauf anspielen würde, gibt es passend dazu einige Anspielungen, die fast schnippisch und ironisch klingen:
"...ich fand unseren Hamlet ganz schön" [...] "Weil er gekürzt war" [...] Was man mit Shakespeare immer machen sollte." oder "Seit unserem letzten Treffen hat sich sehr viel von sehr geringer Bedeutung ereignet..." und "Wenn du bis hierhin gelesen hast,...". Wenn das Selbstironie ist, Frau Gilbert, dann Respekt!

Dabei war mir Vivan als Hauptfigur des Romans gar nicht mal unsympatisch. Ich konnte mich zwar so gar nicht mit ihr identifizieren (weder die Promiskuität des Freigeistes, noch die ewige Selbstgeißelung, wie "Er war so gut, und ich war Abschaum"); andererseits skizziert Gilbert die Doppelmoral wunderbar, z.B. als Vivian vom "Fahrer" als Hure bezeichnet wird und ihr Bruder nicht widerspricht - spätestens da entstand bei mir Empathie für Vivian.

Richtig begeistert habe ich immer dann gelesen, wenn es um ihre Tätigkeit als Näherin/Kostümbildnerin ging, Das Nähen von Kostümen oder Kleidern wurde so liebevoll und detailreich beschrieben, so nah dran am Geschehen, dass ich mich direkt in die damalige Zeit versetzt gefühlt habe. Showgirls, das Leben am bzw. hinter den Kulissen des Theaters, der Zusammenhalt in Krisenzeiten, das hat mich fasziniert.

Insgesamt für mich ein Buch mit Licht und Schatten und zu vielen Längen, das aber seine Leserschaft finden wird.