Irische Kleinstadtidylle?

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chris70 Avatar

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Das Cover gefällt mir sehr gut, da es impliziert immer auch "hinter die Fassade" zu schauen. Die Fassade aufrecht zu erhalten funktioniert im kleinen irischen Städtchen Ardglas sehr gut. Noch Anfang der 90iger Jahre waren die Frauen deutlich gesellschaftlich benachteiligt und von ihren Männern abhängig. Ein Fremdgehen des Mannes wurde akzeptiert, ein Berufsleben der Frau konnte durch den Mann untersagt werden und wenn die Frau den Ehemann verließ, konnte dieser den Umgang mit den Kindern untersagen. Diese Themen werden hauptsächlich anhand von drei Ehepaaren aus diesem Städtchen aufgezeigt. Da ist Colette, die ihren Mann Shaun verließ, nun wieder zurückgekehrt ist und um den Kontakt zu ihren Kindern kämpft. Izzy, die unglücklich mit dem Lokalpolitiker James verheiratet ist und sich aus den üblichen Konventionen lösen möchte. Und da ist auch Dolores, die das Fremdgehen ihres Ehemannes Donal geduldig erträgt. Ihre Lebensbahnen treffen sich, teilweise sogar dramatisch.
Der ruhige und authentische Erzählstil des Autors gefällt mir sehr gut. Er kann genau beobachtend und einfühlsam die seelischen Befindlichkeiten der Hauptpersonen beschreiben. Die gesellschaftlichen Einschränkungen von Frauen werden gut herausgearbeitet. Das das Scheidungsreferendum mehr am Rand behandelt wird finde ich gut. Wandlung fängt in Köpfen an und nicht unbedingt auf Papier. der dramatische Plot zum Schluss hätte es meines Erachtens nicht bedurft. Für mich wäre es stimmiger gewesen, wenn man innere Erkenntnisse und Wandlungen noch dargestellt hätte.
Um die Frage zu beantworten, nein hinter der Fassade ist es keine irische Kleinstadtidylle. Doch es ist ein sehr lesenswerter Roman, der zum Nachdenken anregt.