Commissario Gaetano und der lügende Titel

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evarei Avatar

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Nach der Leseprobe hatte ich mehr erwartet.

Der Plot ist an sich gut: unsympathischer Turiner wird am San Gennaro Feiertag ähnlich San Gennaro umgebracht.
Aber leider fesseln mich weder Figuren noch Neapel.

Was mir nicht gefällt - der Einfachheit halber als Liste:
• Neapel: ein Ort, der nur stinkt und dreckig ist. Voll mit abergläubischen Menschen. Zumindest bekomme ich den Eindruck, da es gefühlt auf jeder zehnten Seite entweder stinkt, oder schmutzt oder irgendjemand tut etwas, das mit Aberglauben zu tun hat.
• Alle Personen schreien ständig miteinander und sind extrem unfreundlich - soll das neapolitanisch sein? Am schlimmsten ist dabei aus meiner Sicht der Commissario.
• Dieser Commissario ist als Figur für mich nicht stimmig: grundsätzlich könnte man was draus machen (tragische Familiengeschichte mit verunglücktem Bruder, gestörte Beziehung zur Nichte) - aber: diese Person brüllt, ist im Job lustlos und starrt alle jüngeren Frauen an (warum?); das wird keine Sympathiefigur.
• Dann ist der Commissario auch noch unfähig: er hat auf der Suche nach dem Kopf des Opfers nicht ordentlich gearbeitet - der Kopf wird an einer Stelle gefunden, wo man ihn schon längst bei professioneller Polizeiarbeit hätte finden müssen. Ebenso unprofessionell ist sein stures Festhalten am ersten Verdächtigen. Dass er eine Mitarbeiterin permanent Monica nennt, weil sie Bellucci heißt, macht ihn für mich als weibliche Leserin noch unsympathischer.
• Die Nichte watscht den Onkel so ab, dass er blutet. Für mich unglaubwürdig. Damit ist für mich die Figur Carla unten durch.
• Das Ende: etwas gewollt wird mir ein weiterer Verdächtiger serviert bis am Ende feststeht, wer es wirklich war.

Die Dialoge sind aus meiner Sicht gut geraten (abgesehen von der vielen Brüllerei, auch Süditaliener können normal miteinander sprechen ...).
• Der titelgebende Fisch kommt lediglich auf einer Seite vor - das hat mich schon geärgert.
• Und dann heißt der Chef auch noch Gabrielle D'Annunzio - es wird Menschen geben, die diesen Schriftsteller des Fin de Siecle tatsächlich kennen (ich zum Beispiel) und sich dann die Frage stellen: was soll diese Namensgebung?

Fazit: Leser*innen sollten gewarnt sein, dass sie hier nur einen negativen Ausschnitt Neapels serviert bekommen.