Ein Ausflug in eine andere Zeit

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
chabli Avatar

Von

Rebecca, eine schüchterne Studentin, findet sich unversehens in London im Jahr 1816 wieder. Da sie ein selbst ein riesiger Fan der Regency-Zeit ist, sollte sie dies eigentlich genießen, jedoch sind die Schattenseiten sehr präsent. Und dann gibt es auch noch eine Leiche. Zum Glück ist Reedlan Knox zur Stelle, um sie bei ihren Ermittlungen und noch so manch anderem zu unterstützen.

Ich hab dieses Buch geliebt. Die Charaktere waren so sympathisch und der Schreibstil hat mich regelrecht durch die Seiten getragen. Es war ein ziemlich dickes Buch, aber es gab genau die richtige Mischung von Historie, Romantik, Humor und Spannung. Ich habe auf jeder Seite mitgefiebert und habe das Setting geliebt. Gut fand ich auch, dass es hier nicht nur romantische Verklährheit gab, sondern dass die Regency-Zeit aus heutigen Gesichtspunkten beleuchtet wurde, mit seinen Vor- und Nachteilen. So hat man hier einen Einblick in das (nicht vorhandene) Gesundheitssystem bekommen und auch Psychiatrien und Gefängnisse wurden realistisch dargestellt. Auch die Installation von Toiletten oder Duschen waren in dieser Zeit nichts selbstverständliches und wurden mit kritischen Blicken seitens der feinen Gesellschaft beäugt. …, die ja aus unserer heutigen Zeit kommt, nimmt diese Missstände nicht an, sondern versucht, die Welt ein klein wenig zu verbessern.

Leider hat mich der Schluss nicht abgeholt. Da ich sonst zu viel verraten würde, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen. Zusätzlich hat mich die Charakterentwicklung der Protagonistin etwas überrascht. Zur heutigen Zeit eine schüchterne, unberührte Bibliotheksmaus, die ein Studium in Ägyptologie absolviert, in der Regency-Zeit eine selbstbewusste, starke Frau, die immer ihren Willen durchsetzt und alles andere als prüde agiert. Dass sie in solch einer Ausnahmesituation neue Charakterzüge entwickelt, wäre verständlich, aber mir war das zu abrupt und extrem. Sie hat ja eine absolute Kehrtwende hingelegt und ihr gesamtes Wesen um 180° gedreht.
Der letzte Punkt war Rebeccas Nachbarin. Sie ist eine Physikprofessorin, die Rebeccas Vorliebe für die Vergangenheit teilt und mit ihr gemeinsam in die Vergangenheit reist. Dort versucht sie dann durch Berechnungen den richtigen Zeitpunkt für eine Rückreise zu finden. Obwohl Rebecca weiß, dass die Nachbarin da ist, stattet sie ihr in der gesamten Zeit nur einen einzigen Besuch ab und wendet sich nicht einmal an sie, um Rat einzuholen oder über das Erlebte zu berichten, obwohl die beiden in der Neuzeit gut befreundet sind. Sie ist eine Nebenfigur und scheint nur die eine Funktion zu haben, an der Rückkehr zu arbeiten. Ansonsten scheint die Autorin sie vergessen zu haben.

Die Geschichte hat unheimlich viel Potential und wenn sie nicht so abrupt geendet hätte, hätte ich mir eine größere Reihe vorstellen können. Hier hätte man die Physikerin auch mehr einbinden und eventuell ihre eigene Parallelgeschichte erleben lassen können.