Ein Oldtimer trifft auf die Mobilität von morgen

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Das Wort Oldtimer kann ganz unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Bei manchen Menschen sieht man ein Blinken in den Augen, wenn sie dabei an noble und nostalgische Automobile der Vergangenheit denken. Im übertragenen Sinne hat der Oldtimer einen leicht despektierlichen Klang: etwas träge und gemütlich, aus der Zeit gefallen und veraltet sowieso. Der Frankfurter Reporter Fritz Graber aus Martin Brückners Autothriller „#Crash Tag. Autonom. Fahren. Tödlich“ hätte den Titel Oldtimer durchaus redlich verdient. Der lebt in der deutschen Hauptstadt der Finanzen und arbeitet dort ganz klassisch beim Printmedium Zeitung, das es gerade so noch zu geben scheint. Mit den großen Leuten, die dort früher die heute überholungsbedürftigen Aufzüge benutzten, verließen auch die großen Geschichten sein Redaktionshaus. Als ein Unternehmer an der Cote d’Azur in einer Edelkarre tödlich verunglückt, wird sein altes Reportergespür durch irgendwas wieder angeknipst – wahrscheinlich hat es was mit einer tiefsitzenden Faszination für Autos zu tun. Nach etwas Anlaufzeit zieht es Graber in die weite Welt und dort wird er mit der digitalen Realität autonomer Mobilität, die bisher so an ihm vorbeizog, konfrontiert.
Aber in welche Zeit gehört dieser Oldtimer Graber? Er lebt zwar in den 2020er Jahren – also unserer unmittelbaren Zukunft – aber sein Idol Steve McQueen war Filmstar in den 60ern, seine Stammkneipe zu Füßen der Bankenskyline hat seit den 70er Jahren kaum neue Möbel und Menschen gesehen. Graber selbst ist in den 20ern nicht angekommen. Aber das lässt sich auch ein wenig von dem ganzen Roman sagen. Es liest sich trotz allen digitalen Realismus so ein wenig, so als ob ein Autor in den frühen 90ern eine ziemlich gut getroffene Prognose der Zeit heute geschrieben hätte. Spannung entsteht dabei zunächst weniger durch die Fragen, die autonome Mobilität aufwerfen, sondern einfach dadurch, dass Menschen international und wirtschaftlich kriminell handeln. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn man sich auf die Figur von Fritz Graber einlässt und Freude an Lebensweisheiten von Hefner, dem „Philosoph im Hasenstal“ entwickeln kann, mag ihm vorbei an vielen Anspielungen auf edle Auto- und andere Marken des. 20. Jahrhunderts gerne in die Welt auf Spuren einer Digitalverschwörung folgen.
Vielleicht ist die Zeit gerade etwas ungünstig, um Romane – Thriller trifft es nicht in der heftigen Form dieser Gattung – über die nahe Zukunft zu lesen. Denn dass diese nicht so aussieht, wie wir uns das noch zum Wechsel in das neue Jahrzehnt gedacht haben, gehört schon zu den abgedroschenen Weisheiten dieser Tage im Frühjahr 2020. Obwohl ein autonomer Einkaufsroboter mit seinen Tücken, wie er in „#Crahs Tag“ durch die Straßen Frankfurts fährt und plötzlich Lebensmittel über den Asphalt verteilt, durchaus zum Denkbaren in Lockdown-Zeiten gehört.