Dämmerschlaf

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Edith Wharton beschreibt die oberen Zehntausend im New York der 20-er Jahre. Das tut sie sehr routiniert, man merkt gleich, dass sie weiß, worüber sie spricht. Die einzelnen Figuren sind (hoffentlich) zynisch überzeichnet und könnten durchaus ihre realen Vorbilder haben, wie einst Thomas Manns Buddenbrooks.

Da ist zunächst Pauline, die Chefin des Hauses, die ständig mit der Organisation gesellschaftlicher Ereignisse beschäftigt ist, jedem neuen Guru und Heilsbringer hinterherläuft und sich ansonsten in jeder freien Minute um ihr Äußeres kümmert. Ihr Mann Dexter ist ein beschäftigter Rechtsanwalt, der – offensichtlich in der Midlife-Crisis - vom einfachen Landleben träumt und von diversen anderen Damen durcheinander gebracht wird. Dann sind da noch Paulines erster Mann, der irgendwie auch noch zur Familie gehört und der Sohn aus dieser Ehe, der in eine Banktätigkeit gepresst wurde und mit einer oberflächlichen Frau verheiratet ist, die sich hauptsächlich für die eigenen Vergnügungen interessiert und sich schnell langweilt. Was alle verbindet, ist der Versuch, diese Ehe zu retten. Die einzig normale in dem ganzen Reigen scheint die jüngste Tochter zu sein, die jedoch ihre eigenen Probleme hat.

Die ganze Geschichte ist geschickt gewoben, die Figuren sind plastisch beschrieben. Ihre Naivität, in der keiner die Beweggründe des anderen versteht und Situationen sowie Personen völlig falsch einschätzt, lässt den Leser des Öfteren verzweifelt den Kopf schütteln.

Das Buch, das man sich durchaus auch in einer Umsetzung als Theaterstück vorstellen könnte, liest sich flüssig und kann die Leser durchaus fesseln, wenn auch letzteren in der Regel der Bezug zu dieser Zeit und dieser Gesellschaft mit ihren Luxusproblemen fehlen dürfte. Teilweise schluckt man in Anbetracht des offensichtlichen Antisemitismus und des politisch nicht ganz korrekten Vokabulars, aber beides war wohl zu dieser Zeit nicht unüblich.

Was ein bisschen nervt sind die vielen Fußnoten, von denen ein Großteil absolut überflüssig ist. So blöd sind die Leser nicht! Aber davon sollte man sich den Spaß an diesem Buch nicht verderben lassen.