Glamour und eine große Leere

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buecherfan.wit Avatar

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Edith Whartons Roman “Dämmerschlaf” (“Twilight Sleep”) erschien zuerst 1927 und gehört nicht zu ihren bekanntesten und besten. In diesem Roman zeichnet Wharton das satirische Porträt einer Epoche, der 20er Jahre. Im Mittelpunkt steht die Familie Manford. Dazu gehört Pauline Manford, in zweiter Ehe verheiratet mit ihrem Scheidungsanwalt Dexter Manford. Aus ihrer ersten Ehe mit Arthur Wyant hat sie den Sohn Jim, verheiratet mit der schönen Lita, die sich unsäglich langweilt und von einer Hollywood-Karriere träumt. Tochter Nona stammt aus der zweiten Ehe mit Dexter. Die Familie gehört zur reichen Oberschicht der Roaring Twenties in New York. Hier gilt es, die Position in der Gesellschaft zu halten oder sogar noch zu verbessern. Pauline Manford widmet ihre ganze Zeit und Kraft dieser Aufgabe. Sie hat einen übervollen Terminkalender, der ihr ein Leben wie im Hamsterrad aufzwingt. Ihr sinnloser Aktivismus ist kaum nachzuvollziehen. Sie tut alles für ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden, liefert sich jedem neuen Guru aus und ist ein Organisationstalent, wenn es um glanzvolle Einladungen geht. Dabei schmückt sie sich gern mit klingenden Namen, zum Beispiel dem einer mit einem italienischen Adligen verheirateten entfernten Verwandten, die sie dafür finanziell gnadenlos ausnimmt.

Pauline kann sich keinem Komitee, keinem wohltätigen Projekt verweigern und merkt dabei nicht einmal, dass ihr Einsatz für uneingeschränkte Mutterschaft und Geburtenkontrolle nicht einer gewissen Widersprüchlichkeit entbehrt. Kein Wunder, dass sie nur knapp einer Katastrophe entgeht, als sie die Reden für die beiden Anlässe verwechselt. Zu ihren Überzeugungen gehört auch, dass sie Probleme leugnet und alles Unangenehme unter den Teppich kehrt. Für Leiden ist in ihrem Leben kein Platz.

Dennoch kommt sie mit problematischen Familienangelegenheiten in Berührung. Die Ehe ihres Sohnes droht zu scheitern, und ihre Tochter Nona, die als einzige die Heuchelei und die Lebenslügen der anderen durchschaut, ist nicht glücklich. Sie verpasst die Liebe ihres Lebens, weil sie ihren eigenen Prinzipien treu bleiben will.

Edith Whartons Roman stellt ein interessantes Epochenporträt dar, aber er ist nicht besonders spannend.Manche literarischen Werke altern schlecht. Auch erschließen sich mir nicht die angeblich verblüffenden Parallelen zu unserer eigenen Zeit. Wer lebt denn schon so wie die New Yorker High Society vor fast 100 Jahren?