Wharton, Edith - Dämmerschlaf

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estha Avatar

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Die satirische Darstellung der New Yorks High Society ist der Autorin auf jeden Fall hervorragend gelungen. Die Hauptprotagonistin des Romans Pauline Manford, die stellvertretend für die Damen der "gehobenen" Gesellschaft auftritt, ist vom Charakter und ihrer Persönlichkeit her so hohl und oberflächlich, dass der Leser die Gefahr läuft, in ihrer Seelenleere, die sie mit aller Kraft mit einer unglaublichen Aktivität und hohen Anzahl von Terminen zu fühlen versucht, zu versinken.

Pauline ist bemüht sich in "Dämmerschlaf" (den Begriff als symbolischen Hinweis zu wählen, fand ich sehr treffend) zu versetzen, um ihrem im Grunde genommen langweiligen und leeren Leben zu entfliehen.
Sie überhäuft ihren Tag mit zahlreichen Verabredungen, Maniküre, Gesichtmassagen, Meditieren, Ondulieren, Treffen irgendwelchen Komitees usw., damit sie auf gar keinen Fall zur Besinnung kommt und darüber nachdenken muss, wie uninteressant und oberflächlich ihr Leben ist, wie abgeflacht und ohne jegliche Tiefe ihre eigene Persönlichkeit ist - da kommt der Zustand ständiger Geschäftigkeit und Wichtigtuerei sehr gelegen. Als eine Art Betäubung und Flucht von der Realität.

Die Handlung des Romans an sich ist schwer auszumachen: Im Grunde genommen besteht die Geschichte aus einer Anreihung an Ereignissen oder besser gesagt Terminen und Aktivitäten der Hauptprotagonistin, in denen man als Leser versinkt.
Schon nach wenigen Seiten hat mich die Hauptfigur des Romans mit ihrem, nach außen gesehen ereignisvollen und wichtigen Leben, nach innen allerdings leeren und unausgefüllten, gelangweilt. Die Heldin der Geschichte erlebte ich als eine unglaublich uninteressante Persönlichkeit, die nur aus einer äußeren Fassade besteht.
So ist Auf den ersten Blick - geschäftig, tüchtig, gütig und wohltätig, beim längeren Hinsehen - leer, uninteressant und langweilig.

Und gerade das zeichnet diesen Roman aus.
All das was ich als langatmig, nervend und oberflächlich empfunden habe, wollte die Autorin genau so ihren Lesern mitteilen.
All das womit das Leben der Hauptprotagonistin gefühlt ist, übertrug Edith Wharton auf den Leser.

Und das machte sie so gut, dass ein emotionaler Leser wie ich, die Stimmung des Romans deutlich zu spüren bekommt und schon nach kurzen Zeit gelangweilt, gereizt und genervt ist, sowohl von der Protagonisten als auch von der Handlung.

Fazit:
Als Satire und Parodie auf die Gesellschaft gesehen, ist "Dämmerschlaf" ein sozialkritisch starker Roman, der noch lange nachwirkt und auf jeden Fall im Gedächtnis bleibt.
Wenn ich bedenke, dass die Geschichte am Anfang des letzten Jahrhunderts geschrieben worden ist, verspüre ich unweigerlich Achtung vor dem Können der Autorin.
Demnach wäre es ein 5-Sterne Roman,
da meine Bewertung sich dem einfachen Prinzip nach: "gefallen - nicht gefallen" richtet, gibt es von mir: 3-Sterne