Wo sind die richtigen Dämonen?

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Der Cover-Text ist ein bißchen verwirrend. Dass Carl Weller nicht lieben DARF, steht nämlich nirgendwo. Als Dämon ist es eher so, dass er Gefühle - außer Liebe und Hass - nicht mehr empfinden kann. Anna zeigt ihm die Liebe und damit wieder das Gefühl von menschlichem Leben, denn Carls Dämonenherz schlägt nicht mehr, seit er den Pakt geschlossen hat. Anna bringt es zu wieder zum Schlagen...

Die Geschichte selbst ist angenehm, wenn auch eher seicht. Nichts Tiefgründiges oder gar Schockierendes. Carl kann man eindeutig als Unikum ansehen, da er ein sanfter Dämon ist. Im Gegensatz zu anderen... ;) Meine Bezeichung von seicht ist aber in keinem Fall abwertend gemeint. Es ist ein angenehmer Lesegenuss, der nicht zum Nachdenken anregt, dafür aber einen wohligen Nachmittag auf der Couch beschert.
Die Protagonistin Anna tappt zwar manchmal wie ein kleines Kind in allerlei "Fallen", die man aber durchaus als alltäglich und damit auch durchaus menschlich bezeichnen kann. Und wenn eine Frau von einem Mann berührt wird und schon beim leisesten Blick dahinschmilzt, kann man das einfach verstehen, auch wenn sie eigentlich wütend auf ihn sein müßte. Besonders da Carl Weller ein Abbild griechischer Götter ist, kann frau das durchaus verstehen. Welche von unserer Art würde dann nicht dahinschmelzen?
Anfangs wird die Geschichte rund um Carl dem Leser häppchenweise präsentiert und macht neugierig. Erst gegen dem letzten Drittel wird die Geschichte klarer um diese Figur.

Dennoch erscheint mir das Buch wie das Erstlingswerk der Autorin. Und nach einer Suche im www scheint mir dies bestätigt zu werden. In manchen Absätzen hat man das Gefühl, dass die Autorin regelrecht nach Worten ringt und dann zu Wiederholungen greift. Dies stört zwar nicht den Lesefluß, dennoch fällt es einem Vielleser auf.
Die erotischen Szenen sind gut dargestellt, aber das böse Wesen an sich und die Gedanken solcher Kreaturen scheinen Julia Talbot ebenfalls Probleme bereit zu haben. Selbst Kampfszenen wirken harmlos und in keiner Weise dämonisch, von brutal oder gewaltig ganz zu schweigen. Die Intrigen von Sandrine sind ebenfalls nicht so gut bei mir angekommen. Sie treffen zwar Anna bis ins Mark, aber dennoch erscheinen sie eher wie die eines Kindes und sind möglicherweise sogar Märchen entliehen worden (ACHTUNG SPOILER: wie die Sache mit dem "vergifteten" Abendkleid). Einige Dinge bleiben schlußendlich auch im Dunkeln. Zwei Protagonisten traute ich einfach nicht über den Weg - Sam und Lisa! Sie sind zwar nur Nebenrollen, aber sie deuten etwas an, was nicht weiter erklärt wird. Anna zerstreut auch ihre Zweifel diesen beiden Personen gegenüber mit der Aussage, dass dem Impergator im eigenen "Nest" kein Unbill widerfahren würde. Das kann durchaus sein, aber was es nun mit den beiden auf sich hat (ob es sich lediglich tatsächlich nur um Mobbing handelt oder ob sie vielleicht vom Gegenpart geködert worden sind), erfährt man leider nicht.
Auch den Schluß hab ich nicht ganz verstanden - und nun kommt zwangsläufig wieder ein bißchen Spoiler: Warum wird Anna unsterblich? Nur, weil sie sich für Carl geopfert hat? Da ich das Dämonentum nicht unbedingt als Belohnung empfinde, frage ich mich, warum die Autorin gerade eine solche Lösung gewählt hat. Und warum schlägt weiterhin das Herz von Carl, wenn er seinen Vertrag doch nun um weitere 100 Jahre verlängert hat? Eigentlich bedeutet doch das Schlagen des Herzens, dass er menschlich und damit nicht mehr unsterblich ist. Auch diese Fragen bleiben leider offen.

Fazit: Ein gutes Buch für Wohlfühlstunden auf der Couch und um das Lesen zum Abschalten anzuwenden. Hinterfragen darf man die Geschichte nicht. Dennoch bleiben genug Fragen offen, die einen am Ende eher unbefriedigt zurück lassen. Würde es mehr Punkte zu vergeben geben (1-10, wobei 1 absoluter Schrott ist und 10 himmelhochjauchzende Begeisterungsstürme brächte), würde das Buch es zumindest auf 7 bei mir schaffen. Allein deswegen, weil ich einfach Bücher gerne habe, die nicht zum Nachdenken anregen und die locker-leicht zur Entspannung führen. Dämonisch wirkt es in keiner Weise und da fragt man sich dann schon: Wo sind die richtigen Dämonen?