Danke für dieses Buch!

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jojumar Avatar

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Die ehemalige Reisejournalistin und Korrektorin Michka ist alt. Sie wird immer gebrechlicher, sowohl körperlich als auch geistig. Besonders schlimm trifft sie der Verlust der Wörter aufgrund einer Aphasie. Als Michka nicht mehr allein Zuhause zurecht kommt, bringt ihre "Ziehtochter" Marie sie in ein Pflegeheim. Dort begleiten sie und der Logopäde Jérôme Michka bis zu ihrem Tod. Währenddessen kristallisiert sich in vielen teils schwierigen Gesprächen ein letzter dringlicher Wunsch Michkas heraus. Sie möchte sich bei einem Ehepaar bedanken, das ihr als Kind das Leben gerettet hat.

"Alt werden heißt verlieren lernen.
Heißt jede oder fast jede Woche ein weiteres Defizit, eine weitere Beeinträchtigung, einen weiteren Schaden verkraften müssen." (S.123)

Dieses Altwerden und Verlieren steht im Mittelpunkt. Dabei lässt die Autorin den*die Leser*in auch manchmal schmunzeln, aber der Alterungsprozess und die Sprachstörung wird nie ins Lächerliche gezogen.

Ebenso feinfühlig wird man mit weiteren Themen wie Nationalsozialismus, Vernachlässigung, Depression und seelischer Mißhandlung konfrontiert. All das wird nur angeschnitten, mehr bedarf es aber auch nicht, um sich ein Bild zu machen und selber weiterzudenken.

Einfühlsam und in klarer Sprache präsentiert sich dieser Roman. Delphine de Vigan zeigt einmal mehr auf relativ wenigen Seiten, wie wichtig es ist, füreinander da zu sein, Augen und Ohren aufzusperren und Mitgefühl und Nähe zu verschenken.

Das geschieht vor allem auch durch die liebevoll dargestellten Charaktere:

Michka hat immer ein selbstbestimmtes Leben geführt. Sie hat sehr damit zu kämpfen, dass sie sich nicht mehr richtig ausdrücken kann und dass ihr die Eigenständigkeit im Altenheim mehr und mehr aus der Hand genommen wird.
Marie möchte Michka etwas zurückgeben, denn diese hat ihr in der Kindheit beigestanden und war auch sonst immer für sie da.
Jérôme unterstützt Michka als Logopäde, um den sprachlichen Verfall möglichst zu verlangsamen. Die beiden werden so etwas wie Freunde.
Sie alle verbindet diese Geschichte, die zeigt, dass Dankbarkeit auf völlig unterschiedliche Weise gelebt und gezeigt werden kann.

"Dankbarkeiten" ist einfach grandios gefühlvoll geschrieben und hat mich sehr berührt. Ich war zu Tränen gerührt und bin sehr dankbar, dieses Buch gelesen zu haben.