Ein wunderbares Buch

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
gudrun_4 Avatar

Von

Das ist ein wunderbares Buch für Leute, die sich mit dem Altern auseinandersetzten wollen.
Wer wie ich die beginnende Demenz bei einem lieben Verwandten erleben musste und dem recht hilflos gegenüber stand, der wird über diese einfühlsame und gleichzeitig erhellende Geschichte dankbar sein. Doch es ist weit mehr als eine Hilfe für Betroffene.
Die Geschichte von Madame Seld – Michka - wird aus der Sicht von Marie, einer jungen Freundin und Jérôme, dem Logopäden im Pflegeheim, abwechselnd in der Ich-Form erzählt. Dazwischen gibt es neutral erzählte Passagen, die uns glauben lassen, dass Michka dies alles selbst erlebt. Doch es sind ihre Träume – und in diesen Träumen fehlen ihr keine Worte, sie kann sich gewohnt flüssig ausdrücken und Gedanken in Worte fassen. Mit diesem Kunstgriff schafft es Delphin de Vigan, aus dem Vorleben Michkas zu erzählen, in die nach außen so schwer zugängliche Welt der alten Dame einzudringen.
Mich beeindruckt zu erfahren, mit welcher Anteilnahme Michka auf alles reagiert, was ihr Marie oder Jérôme erzählen, mit welcher Beharrlichkeit sie Gespräche in die Richtung lenkt, die sie wichtig findet und wie sie trotz ihrer eingeschränkten sprachlichen Mittel ihre jungen Freunde zu beeinflussen versucht. Und gleichermaßen beeindruckten mich das Verständnis und der liebevolle Umgang der beiden jungen Leute mit ihrer zunehmend hilflosen älteren Freundin.
Dass dabei Dankbarkeiten in verschiedene Richtungen eine große Rolle spielen, verrät schon der Buchtitel. Doch ich möchte hier niemandem die Spannung auf das Geschehen verderben. Bei diesem recht kurzen Roman (nur ca. 130 Seiten) kann ich nur empfehlen: Lesen und Genießen!