Was am Ende bleibt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
vanessa_91 Avatar

Von

Meine Meinung und Inhalt

"Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie oft Sie in Ihrem Leben wirklich Danke gesagt haben? Ein echtes Danke. Als Ausdruck Ihrer Dankbarkeit, Ihrer Anerkennung, der Schuld, in der Sie stehen." (ZITAT)

Michka, die stets ein unabhängiges Leben geführt hat, muss feststellen, dass sie nicht mehr allein leben kann. Sie realisiert, wie ihr die Worte entgleiten und ist geplagt von Albträumen.

Die junge Marie, die Michka früher versorgt hat, bringt sie in einem Seniorenheim unter. Der alten Frau fällt es schwer, sich in der neuen Ordnung einzufinden. Die Enge und Monotonie ihres neuen Lebens stehen im kompletten Gegensatz zu ihrem früheren Dasein, das von Offenheit und regem Austausch bestimmt war.

Ihr einziger Lichtblick sind Marie und der junge Logopäde Jérôme, der sie regelmäßig aufsucht.

Beide kümmern sich liebevoll um sie. Michka wiederum zeigt beiden immer wieder, wie wichtig der Kontakt zu Menschen ist, wie sehr man Zuneigung und tiefes Verständnis braucht, ganz egal wie alt man ist. Doch was sie am meisten beschäftigt, ist die bisher vergebliche Suche nach einem Ehepaar, dem sie ihr Leben zu verdanken hat. Daher gibt Marie eine Suchanzeige auf, und Michka hofft, ihre tiefe Dankbarkeit endlich übermitteln zu können, bevor es zu spät ist.

Ein unglaublich ergreifendes kleines Buch, indem die Autorin dem Leser näher bringen will, dass nichts so wichtig ist wie die Menschen, die uns zu denen gemacht haben, die wir sind.

Der Schreibstil, den ich bereits aus ihrem Buch "Loyalitäten" kenne, gefällt mir sehr gut. Die Flüssigkeit des Lesens wurde allerdings durch Michkas "Wortersetzen" erschwert, da diese nicht mehr die richtigen Wörter gefunden hat und diese durch ähnlich klingende ersetzt hat. Allerdings hat mich das auch einige Male zum Schmunzeln gebracht.

Die Protagonisten sind mir allesamt sehr symphatisch gewesen, schon alleine Marie und Jérôme, die beide eine wahninnig aufgeschlossene, liebe und hilfsbereite Art haben und sich liebevoll um Michka kümmern.

Das Buch bekommt eine absolute Leseempfehlung, denn es regt absolut zum Nachdenken an.

"Ich bin Logopäde. Ich arbeite mit den Wörtern und dem Schweigen. Dem Ungesagten. Ich arbeite mit der Scham, dem Geheimnis, der Reue. Ich arbeite mit dem Fehlenden, mit verschwundenen Erinnerungen und solchen, die durch einen Vornamen, ein Bild, einen Duft wieder geweckt werden. Ich arbeite mit den Schmerzen von gestern und denen von heute. Mit den vertraulichen Mitteilungen. Und der Angst vor dem Sterben. Das gehört zu meinem Beruf." (ZITAT)


DELPHINE DE VIGAN, geboren 1966, erreichte ihren endgültigen Durchbruch als Schriftstellerin mit dem Roman ›No & ich‹ (2007), für den sie mit dem Prix des Libraires und dem Prix Rotary International 2008 ausgezeichnet wurde. Ihr Roman ›Nach einer wahren Geschichte‹ (DuMont 2016) stand wochenlang auf der Bestsellerliste in Frankreich und erhielt 2015 den Prix Renaudot. Bei DuMont erschien außerdem 2017 ihr Debütroman ›Tage ohne Hunger‹ und 2018 der Roman ›Loyalitäten‹. Die Autorin lebt mit ihren Kindern in Paris.