Wofür sind wir dankbar?

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petris Avatar

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Michka und Marie sind ein sehr unterschiedliches Freundespaar. Marie ist jung, steht mitten im Leben, trotzdem kümmert sie sich um ihre alte Freundin Michka, der die Wörter immer mehr abhanden kommen und die unter Alpträumen leidet. Es gibt eine tiefe Verbindung zwischen den beiden, Marie ist Michka dankbar für deren Unterstützung als sie selber noch Kind war und in der Wohnung über Michka lebte.

Eines Tages wird klar, Michka kann nicht mehr alleine leben. Marie hilft ihr, ein Heim zu finden und besucht sie auch dort regelmäßig. Für Michka ist es schwer, die Wörter verschwinden immer mehr, sie, die immer unabhängig war, muss sich plötzlich an die Struktur eines Heimes gewöhnen, das gefällt ihr gar nicht. Zusätzlich werden die Alpträume nicht besser. Und es gibt noch einen großen Wunsch, den sie hat. Sie will das Ehepaar finden, dem sie ihr Leben zu verdanken hat. Frühere Versuche waren fehlgeschlagen, da sie nur die Vornamen kennt.

Ein Lichtblick im Heim ist der Besuch des Logopäden Jerome, der mit viel Geduld, einem großen Herz und mit Leichtigkeit versucht, die Wörter so lange wie möglich zum Bleiben zu ermutigen.
Delphine de Vigan greift hier ganz viele Themen auf, Dankbarkeiten natürlich, aber auch die Frage, was Familie ist, wie das mit dem Altern ist und warum man manche Menschen einfach mag und sich ihnen verbunden fühlt.

Sehr einfühlsam und berührend erzählt sie diese Geschichte, sie beschönigt nicht, ihre Figuren haben Ecken und Kanten und auch das Alter wird nicht schöner dargestellt als es für die Figur Michka ist. Ich mochte den Umgang der beiden jungen Menschen mit der alten Frau sehr, geduldig, aber klar und ehrlich. Total schön.

Ein kleines, sehr feines Büchlein, das ich an einem Tag ausgelesen habe und das zu meinen Highlights 2020 zählt!