Prolog einer Geschichte

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Rezension: Dark Blue Rising

Prämisse: Die 16jährige Tabitha - kurz Tabby - welche das Meer über alles liebt, führt mit ihrer Mutter Cate ein Nomadenleben in welchen sie sich an einige Regeln halten muss. Unter anderem, dass, sie niemandem ihren Namen sagen darf, da sie laut ihrer Mutter vor den Behörden fliehen. Doch eines Tages wird Cate verhaftet und Tabby muss realisieren, dass sie gar nicht ihre echte Mutter ist. Nun muss sie sich im Leben mit ihren echten Eltern zurechtfinden und feststellen, dass sie anders ist als andere. Zudem gab Cate, Tabby im Moment ihrer Festnahme noch eine Warnung: „Hüte dich vor dem Kreis.“

Hauptfigur: Tabby oder Holly, welches der Name ist dem ihre Eltern ihr gaben, wird von drei grundlegenden Charaktereigenschaften definiert:
1. Ihre Beziehung zu Tabby und ihr damit einhergehendes Ablehnen der Behörden, welche sich später in eine aufkeimende Liebe zu ihren echten Eltern (Simone und Alistair) wandelt.
Dieser Aspekt wurde meiner Ansicht nach gut umgesetzt. Es dauert lange bis Tabby ihren Eltern vertrauen und die Indoktrination Cates ablegen kann, was mir angesichts des Zeitraums in welchen, sie Cate ausgesetzt war durchaus realistisch erscheint. Allgemein gesagt, sind die Szenen in denen Simone oder Cate eine Rolle spielen für mich die emotionalsten des Buches. Dennoch sehe ich hier nicht genutztes Potential, da einige literarische Stilmittel, wie ihr Name Tabby/Holly oder dass Simone ihr anbietet sie und Alistair Mere und Pere - französisch für Mutter und Vater - zu nennen meiner Ansicht nach nicht so gut genutzt wurden wie es möglich gewesen wäre. Womöglich erwarte ich hier aber auch zu viel von dem Buch. Aber das Buch verschwendet auch viel Konfliktpotential dadurch, dass Alistair der Vizepräsident eines umweltschädlichen Energieunternehmens ab einem gewissen Punkt durch Abwesenheit glänzt (siehe Punkt 3)
2. Ihrer gewaltigen Liebe zum Meer und der Tätigkeit des Schwimmens.
Dieser Aspekt ihrer Persönlichkeit ist der mit Abstand dominanteste Aspekt ihrer Persönlichkeit und leider meiner Ansicht nach auch der schwächste. Zum einen gibt es Stellen an welchen Tabbys gesamter Charakter auf „Ich bin nur beim Schwimmen glücklich und liebe das Meer, nein ich bin süchtig nach dem Meer“ reduziert wird. Eine derartig einseitige Fokussierung auf eine einzige Charaktereigenschaft findet sich sonst eigentlich nur in Kinderbüchern. Darüber hinaus trägt das in hohen Maße dazu bei, dass der zweite Akt redundant und repetitiv wirkt, besonders dadurch, dass diese Botschaft auf die immer gleiche Weise wiedergegeben wird anstatt neue Facetten hinzuzufügen. Das wäre bei einen derartig vielfältigen Themenbereich wie dem Meer sicherlich kein Problem gewesen.
3. Ihren klimafreundlichen Lebensstil.
Bedauerlicherweise spart sich Teri Terry hierzu jede Erklärung. Tabby ernährt sich vegan, jede Klimasünde springt ihr sofort ins Auge und die Position ihres Vaters ist ihr eindeutig sehr zuwider. Und das alles irgendwie einfach so. Auch im Rest des Buches wird das Klimakrisethema meiner Meinung nach unzureichend behandelt. Sowohl von der Quantität als auch der Qualität, her. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich die Behandlung des Themas Klimakrise nicht kritisch sondern im Gegenteil sehr begrüßenswert finde, jedoch widme ich mich hier nur und ausschließlich der literarischen Umsetzung, und jene habe ich leider als mangelhaft empfunden. Das der Klimawandel real sowie gefährlich und eine klimafreundliche Lebensweise richtig und wichtig ist, wird in diesem Buch als eine selbstverständliche Tatsache dargestellt. Dies ist zwar korrekt jedoch insofern problematisch, dass man auf diese Weise keine der drei folgenden Gruppen erreicht.
1. Die Klimaschützer: Hier wird den Bekehrten gepredigt.
2. Den Unentschlossenen/Passiven: An dieser Stelle fehlen Argumente.
3. Den Leugnern/Ignoranten: Dasselbe wie bei Gruppe 2.
Viele andere Bücher, darunter auch Jugendbücher, präsentieren ihre Botschaften subtiler aber auch eindringlicher.

Nebencharaktere: „Dark Blue Rising“ ist reich an Nebencharakteren, jedoch hätte die Autorin meiner Meinung nach mehr auf Qualität und weniger auf Quantität setzen sollen. Neben Tabby selber sind mir vor allem Denzi und Elodie positiv aufgefallen, aber ansonsten sind die Nebenfiguren austauschbar und wirken eher wie Verkörperungen von Rollen statt wie dreidimensionale Charaktere. Des weiteren ist es - bedingt durch die Ich Perspektive von Tabby teilweise schwierig die Absichten der anderen Charaktere zu erkennen. Dies macht sie zwar mysteriöser, jedoch auch weniger greifbar.

Schreibstil: Der Schreibstil von „Dark Blue Rising“ ist einfach gehalten und damit schnell und flüssig zu lesen, wirkt jedoch oberflächig. Die besten Schreibstile sind meiner Ansicht nach all jene, welche zu wesentlichen Teilen aus kreativem Umgang mit der Sprache und Wortspielen bestehen (Niemalswelt) oder die Möglichkeiten der geschrieben Sprache dazu verwenden den Leser einen immersiven Einblick in die Gedanken und Gefühle der Figuren zu bescheren oder ihn allgemein in das Buch hineinzuziehen (Scythe). Das ist hier nicht der Fall. Es gibt jedoch auch noch einige spezielle Szenen, beispielsweise die teilweise surrealistischen Träume Tabbys oder Szenen in welchen sie plötzlich von sich selber in der Mehrzahl spricht. Leider wird die Bedeutung der Träume und der Pluralszenen in diesem Buch noch nicht aufgeklärt, aber dazu werde ich später noch kommen. Ich muss jedoch lobend erwähnen, dass der Titel gut gewählt ist. Es handelt sich bei ihm gewissermaßen um ein Foreshadowing. Auch, dass die Figuren dazu in der Lage sind sich gut auszudrücken gefällt mir sehr. Es gibt einige Autoren die scheinbar unironisch denken, dass Jugendliche nur mit Anglizismen und Schimpfwörtern kommunizieren, was in „Dark Blue Rising“ glücklicherweise nicht der Fall ist.

Plot: Der Plot von „Dark Blue Rising“ lässt sich in drei Teile aufteilen.
Der erste Teil wird teilweise durch Erinnerungen achronologisch erzählt, was mir offen gestanden missfiel. Wäre der Plot chronologisch erzählt gewesen, hätte sich der Anfang organischer angefühlt und es hätte viele gute Optionen für authentische Exposition gegeben, doch leider schien Teri Terry ein spektakulärer Beginn wichtiger zu sein.
Zum zweiten Teil habe ich oben schon fast alles geschrieben, bis auf eines. Der Klappentext ist meiner Ansicht nach nicht gut geschrieben, da er die komplette Spannung aus dem zweiten Teil nimmt. Der Klappentext trifft im Bezug auf Cate und Tabbys echten Eltern Tatsachenaussagen „ Cate ist gar nicht ihre Mutter“ „Tabby versucht sich in ihrem neuen Leben mit ihren echten Eltern zurechtzufinden. Wenn der Klappentext diesbezüglich offener gewesen wäre, hätte der Leser sich stärker mit Tabby identifizieren und mit ihr mitfiebern können. Da er jedoch weiß, was die Wahrheit ist wartet er nur darauf, dass Tabby mit ihm gleichzieht anstatt mit ihr mitzurätseln. Ich sehe hier verschwendetes Potenzial.
Im dritten Teil des Buches werden mehr Fragen aufgeworfen und Mysterien etabliert als in einem Krimi. Nichts scheint sicher, und ein Mysterium jagt das nächste von welchen - und das ist meiner Ansicht nach das größte Problem des Buches - kein einziges wirklich endgültig aufgeklärt wird. Der Leser erhält bestenfalls Teilantworten. „Dark Blue Rising“ kann man meiner Meinung nach nicht als eigenständiges Buch betrachten, da das Buch nicht nur mit einem Cliffhanger endet (was bei Trilogien durchaus üblich ist) sondern wie erwähnt unzählige offene Fragen und Mysterien aufwirft aber keine Antworten gibt und das stört mich. Die besten ersten Teile von Trilogien sind meiner Meinung nach jene welche zwar eine konkludierte Geschichte erzählen dabei jedoch entweder klarmachen, dass diese Geschichte nur der erste Teil eines größeren Ganzen ist (Scythe - Die Hüter des Todes, Sechzehn Wege eine befestigte Stadt zu verteidigen) oder im Verlauf der Handlung einige Fragen aufwerfen oder Handlungsstränge offen lassen (Partials - der Aufbruch, Das hungrige Glas). Auf diese Weise kann man am Ende zwar die große Buchüberspannende Geschichte sehen aber auch das erste Buch zumindest ein wenig für sich stehen lassen. Ich bin der Meinung das Cliffhanger mit Bedacht eingesetzt werden sollten anstatt als einzige Begründung herzuhalten weiter zu lesen/schauen. Das ist ein billiger Trick und wirft bei mir die Frage auf ob die Autoren vielleicht einfach nicht genügend Vertrauen in ihre Geschichte haben.
Ein weiteres Problem ist mir leider auch noch aufgefallen. Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass ich so viel lese oder wirklich am Buch, aber ich habe den Plot als sehr vorhersehbar empfunde sowohl von konkreten Punkten her als auch dramaturgisch. Bedingt dadurch steht leider auch Tabby in einem schlechten, weil begriffsstutzigen und naiven Licht da.

Atmosphäre: Das Buch ist, wie bereits erwähnt, an einigen Stellen emotional und zumindest latent spannend.

Fazit: „Dark Blue Rising“ ist, obwohl es nach allem was ich geschrieben habe vielleicht diesen Eindruck macht, beileibe keine Katastrophe. Zwar sorgen die eindimensionale Hauptfigur, der vorhersehbare Plot sowie der Fakt, dass die kompletten 440 Seiten wie ein Prolog wirken und das reichliche Verschwenden von Potential dafür, dass ich das Buch nicht gut finde. Jedoch bewahren einige emotionale Momente die durchaus interessante Geschichte und einige spannende Mysterien dafür, dass ich das Buch nicht als Katastrophe sondern als solide ansehe und in der Hoffnung, dass der Prolog hält was er verspricht auch die beiden Fortsetzungen „Red Sky Burning“ und „Black Night Falling“ lesen werde. „Dark Blue Rising“ erhält von mir 3,5 von 5 Sternen.