Zwischen den Welten

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
gkw Avatar

Von

Smilja ist eine junge Kroatin, die ihre Heimat - insbesondere die elenden Lebensverhältnisse und den gewalttätigen Vater - verlässt, um in Deutschland ein besseres Leben zu führen. Schon bald lernt sie Emir kennen, sie heiraten, bekommen ein Kind. Doch Emir ist ein Ganove, er lügt, trinkt, begeht Diebstähle und ist in jeder Hinsicht unzuverlässig. Als Smilja wieder zu arbeiten beginnt, mag sie das Kind Alem nicht bei ihm lassen, so gibt sie ihn bei einer wohlsituierten deutschen Familie in Pflege. Das Ehepaar hat bereits sieben eigene Kinder, so wird Alem das achte. Von Marianne und Robert erhält er Fürsorge, Förderung und Liebe. Aber als er älter wird, sieht er in Robert nicht mehr den tapferen Kriegshelden, sondern merkt, dass er ein unbelehrbarer Nazi ist.
Die Wochenenden verbringt er meist bei seiner Mutter. Sein Vater ist inzwischen verschwunden, seine Mutter hat einen neuen Freund, Dusan. Doch auch hier hat sie wieder nicht das große Los gezogen, er trinkt und schlägt sie und auch Alem. Die Sommerferien verbringt Alem mit seiner Mutter in ihrem kroatischen Heimatdorf und lernt hier die immer noch schlechten Lebensverhältnisse kennen.

Das Buch ist weitgehend (?) autobiographisch. In drei Abschnitten - Smilja, Alem und Emir - wird das Leben der Familie vorgestellt. Das Buch ist mit 256 Seiten relativ kurz, behandelt aber einen langen Zeitraum.
Alem ist zerrissen zwischen den unterschiedlichen Welten, in denen er lebt. In der einen gibt es Bildungsbürger, Liebe und Zuneigung, in der anderen herrschen Armut, Lieblosigkeit und Gewalt.

Das Buch ist flüssig zu lesen, hat keinen wirklichen Spannungsbogen, das Schicksal selbst hält einen. Neben Alems Geschichte und der seiner Eltern bekommt man viele Einblicke in das Leben von Gastarbeitern, vom Verhältnis Mann-Frau in anderen Kulturen, vom ehemaligen Jugoslawien und den Konflikten zwischen Serben und Kroaten. Und es gibt auch einen starken Einblick in die Armut im Hinterland in dieser Region, die man als Tourist eher nicht kennenlernt.

Was mir fehlte, waren die Emotionen. Es ist ja eine sehr persönliche Geschichte, die hier erzählt wird, aber dies wird in sehr distanzierter, nüchterner Art getan.
Ich habe in den letzten Jahren sehr viele autobiographische Romane gelesen und bei den meisten ist man dichter an der Person, indem sie einen teilhaben lässt an Gefühlen.
Diese nüchterne Erzählart hat sicher damit zu tun, dass Grabovac Journalist ist. Natürlich haben auch Bücher ihre Berechtigung, bei denen ich als Leser aufgefordert bin, mein eigenes Urteil allein aufgrund der Fakten zu treffen. Tatsächlich mag ich es aber lieber, sehr viel dichter an den Personen zu sein.