Affen sind die besseren Menschen

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buecherfan.wit Avatar

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Isabel Duncan ist Wissenschaftlerin und arbeitet in einem Sprachlabor für Bonobos. Sie kommuniziert mit ihnen und trainiert sie. Die Bonobos sind ihre Familie und stehen ihr näher als die meisten Menschen. Kaum hat sie dem Journalisten John Thigpen ein Interview gegeben und ihm eine Begegnung mit den Tieren ermöglicht, wird ein Bombenanschlag auf die Einrichtung verübt. Isabel Duncan überlebt schwer verletzt, die Affen flüchten auf die nächstgelegenen Bäume. Sie werden dort mit Betäubungsgewehren heruntergeholt und an einen unbekannten Ort gebracht. Während ihrer langen Genesungszeit setzt Isabel alle Hebel in Bewegung, um die Bonobos zu finden und zurückzubekommen.

Neben diesem Haupthandlungsstrang gibt es eine Reihe von Nebenhandlungen mit einer Vielzahl von Personen. Breiten Raum nimmt die berufliche und private Situation von John Thigpen ein. Seine skrupellose Kollegin Cat stiehlt seine Geschichte, und letztlich verliert er seinen Job. Seine depressive Frau Amanda ist als Schriftstellerin nicht sehr erfolgreich und leidet unter ihrem unerfüllten Kinderwunsch. Sie nimmt einen Job als Drehbuchautorin für drittklassige Serien an der Westküste an, und dort findet auch ihr Mann einen neuen Job bei einer Boulevardzeitung. Er recherchiert für die Bonobo-Geschichte und kann schließlich den großen Knüller landen. Außerdem gibt es da noch Isabels tätowierte und gepiercte Assistentin Celia, Isabels zwielichtigen Verlobten Peter, einen grünhaarigen Ökofreak, eine Gruppe von jungen Hackern, militante Tierschützer, einen Porno-Medienmogul, Drogenproduzenten und -dealer samt Kampfhund Booger, der schließlich bei den Thigpens landet, drei russische Stripperinnen und und und…

Die Auflistung deutet schon auf einen Mangel des Romans hin: Sara Gruen konzentriert sich nicht auf den Handlungsstrang um die Bonobos, sondern verzettelt sich auf Nebenschauplätzen. Das ist umso bedauerlicher, als die Bonobos viel sympathischer und interessanter sind als die meisten menschlichen Protagonisten im Roman. Sie haben nicht nur ein weit entwickeltes Sozialverhalten, zeigen Mitgefühl, zum Beispiel, wenn sie einem in ihrem Gehege gestrandeten Vogel wieder zur Freiheit verhelfen, und empfinden Freude und Angst, sondern sie haben auch eine eigene Sprache und können bis zu drei weitere Sprachen lernen: sie verstehen englisch, beherrschen die amerikanische Zeichensprache (ALS) und einige von ihnen können auch den Computer bedienen und die für sie entwickelte Symbolsprache anwenden. Damit können sie mehr als die Menschen, selbst wenn ihre Stimmwerkzeuge sich nicht für die Lautbildung einer menschlichen Sprache eignen. Jeder durchschnittliche Haushund versteht mindestens 200 Wörter, aber welcher Mensch versteht, was sein Hund bellt? Sara Gruen hat in Interviews immer wieder gesagt, dass die Begegnung mit den Affen, speziell die Erfahrung einer echten Kommunikation mit einer anderen Spezies, sie verändert habe. Da hätte sich der Leser mehr Szenen mit den klugen Bonobos gewünscht.

Sara Gruen übt natürlich nicht nur dann Medienkritik, wenn sie Amandas läppische Serien beschreibt, sondern auch wenn sie zeigt, dass der Medienmogul die Affen in einem speziell ausgestatteten Affenhaus hält und für seine Reality Show missbraucht. Er hofft, seinen voyeuristischen Zuschauern saftige Szenen bieten zu können, aber die Affen zeigen mehr Würde als die Menschen und interessieren sich nicht für das bereit gestellte Sexspielzeug.

In vielen angesprochenen Bereichen bleibt Gruen zu oberflächlich, vertieft nicht die philosophischen oder ethischen Fragen, die die Thematik ihres Romans impliziert. Was genau macht das Menschsein aus? Wenn die Affen einen hohen Prozentsatz der Gene mit den Menschen teilen, wenn sie intelligente, fühlende Wesen sind, mit welcher Berechtigung fängt sie dann der Mensch, entführt sie aus ihrem natürlichen Lebensraum, verdammt sie zu einem Leben in Gefangenschaft, unterzieht sie qualvollen Experimenten in den Forschungslabors und nimmt sich das Recht, sie zu töten?

Trotz der festgestellten Mängel liest sich der Roman nicht schlecht, berühren besonders die Szenen mit den Bonobos. Es ist unverkennbar, dass die Autorin eine besondere Affinität zu Tieren hat, und dies ist nach dem Bestseller “Wasser für die Elefanten” ja auch schon ihr zweiter Roman, in dem Tiere eine wichtige Rolle spielen. Vermutlich wird auch “Das Affenhaus“ verfilmt, und auch dann ist zu erwarten, dass nicht kritische Fragen im Vordergrund stehen, sondern Beziehungsgeschichten mit einigen eindrucksvollen Tierszenen.