Kein Psychothriller

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singstar72 Avatar

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Das andere Haus

Ich möchte höflich und sachlich bleiben, dennoch kann ich nicht verhehlen, dass ich bei diesem Buch über eine – höchstens – mittlere Bewertung nicht hinaus komme. Gerne gestehe ich dem Buch zu, dass es ein Erstlingswerk ist – und dass Geschmäcker sicherlich verschieden sind. Aber für mich ist es erstens nicht wirklich ein Psychothriller, und zweitens streckenweise langatmig und weinerlich.

Das Konzept hatte sich gut angehört – ein junges Ehepaar bemerkt bei einem Haustausch, dass etwas nicht stimmen kann. Die Frau fühlt sich durch diverse Details an ihre Vergangenheit erinnert. Wie heißt es so schön im vorderen Einband - „dieser Haustausch wird teuer. Bezahlt wird mit dem Leben.“ Doch weit gefehlt! Ich empfinde den Klappentext und die Werbung teilweise als Mogelpackung (doch dafür kann ja die Autorin nichts). Der viel beworbene Thriller, also jedenfalls die Handlung, die im Klappentext geschildert wird, ist nach 150 Seiten vorbei. An der Stelle hätte ich das Buch an die Wand geworfen, hätte ich es nicht rezensieren müssen…! Also las ich weiter.

Die Frau, Caroline, entdeckt von selber, welche Verbindung zu ihrer Vergangenheit besteht. Das kann ich, ohne zu spoilern, hier natürlich nicht darlegen. Das geschieht also nach etwa 150 Seiten. Ich gebe zu, es gibt noch einen weiteren Twist – nach weiteren 100 Seiten. Aber bis dahin zieht es sich ungeheuer! Ich empfinde speziell die Stimme der Heldin Caroline als sehr weinerlich, larmoyant. Immer wieder dieselben Wendungen, die Gedanken drehen sich im Kreis. Sehr ermüdend zu lesen. Und der Schluss hat es für mich dann auch nicht mehr „rausgehauen“. Bis dahin war ich nur noch gelangweilt, und wollte das Buch beenden.

Die entscheidenden Wendungen des Plots kommen sehr spät, und sie beruhen auf Zufällen, die ich selbst für einen Thriller als haarsträubend ansehe. ( Ausserdem erinnert mich die Grundidee hierbei an einen Thriller von Jussi Adler-Olsen.) Die wenigen, kurzen Abschnitte, die in der Stimme des Täters geschrieben sind, wirken auf mich auch nicht wirklich bedrohlich. Es passiert einfach nichts! Caroline ist zu keiner Zeit wirklich in Gefahr. Erkennbar unbeholfen formuliert sind außerdem die Abschnitte, die aus der Sicht von Carolines Ehemann geschrieben sind. Die Autorin ist leider keine gute Psychologin. Und kann sich meiner Meinung nach nur schlecht in Männer hineinversetzen.

Die ersten 150 Seiten empfand ich als wirklich gut. Halbwegs überzeugt hat mich die Schilderung von Carolines Ehe – dass und warum sie in Schieflage geraten ist. Wie eine angespannte Stimmung eine Beziehung vergiften kann. Dass man sich misstraut. Und dass man schließlich einen Kurzurlaub plant, um die Beziehung zu retten. All das war ok. Auch recht gut gefallen hat mir die Schilderung der Arbeitswelt. Man merkt, dass die Autorin selbst aus dem Marketing stammt. Wie es in einem Büro zugeht, schildert sie hinreichend gut.

Es hapert bei dem Buch meiner Meinung nach an dem nicht ausreichend durchdachten und straff gespannten Plot, und an der im späteren Verlauf teils mangelhaften Psychologie der Hauptfiguren. So manches Mal habe ich einfach nur den Kopf geschüttelt! „Gone Girl“ empfand ich schon als hanebüchen; dieses hier auch. Doch wie eingangs gesagt – das Buch benutzt erprobte Schreibstrategien, sowie eine recht gute Grundidee. Dies wird manchem Leser sicher genügen. Allerdings hat diese Autorin in meinen Augen noch recht viel „Luft nach oben“.