Detaillierte Einblicke in Stadt- und Landleben

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„Leben, wo andere Urlaub machen“ (S. 9) hat der Vermieter unter ein Foto von glitzernder Sonne auf dem See voller Yachten und Möwen geschrieben – „und wir sind darauf reingefallen“, so beschreibt es Björn Vedder in seinem neuen Buch „Das Befinden auf dem Lande“. „Was heißt es, auf dem Land oder in der Provinz zu wohnen? Und was heißt es eigentlich, provinziell zu sein?“ (11) fragt er weiter: „Der provinzielle Geist regiert nicht nur das Dorf. Er hat auch in die Städte Einzug gehalten, in die Parteien, Thinktanks und Gremien. Die rezente Landlust entspringt einer breiteren Provinzialisierung des Geistes und übergreifenden Sehnsucht nach Gemeinschaft“ (13)

Schwierig zu sagen, was für eine Art Buch dieses Werk ist – und das ist ausdrücklich als Kompliment zu verstehen. Es ist ein Landroman, eine philosophische Abhandlung (zitiert werden unter anderem Marx, Kant und Sartre), eine Aussteigergeschichte – und noch so viel mehr. Landleben wird im Buch aus gleich zwei Perspektiven thematisiert: das Aufwachsen des Autors im Westfälischen sowie der Umzug von München an den Ammersee. Sehr repräsentativ ist das Fallbeispiel Ammersee vermutlich nicht, aber gerade im Kontrast mit vielen anderen ländlichen Gegenden in Deutschland liegt der Reiz des Buches. Spannend wird es immer dann, wenn der Autor über den Ammersee hinausdenkt und grundsätzliche Aspekte des Landlebens in den Blick nimmt.

Vedder beschreibt darin seine Zerrissenheit zwischen Stadt und Land: „In der Stadt war ich zu Besuch, auf dem Land nicht daheim und überall ein bisschen fremd. Die einen Wurzeln hatte ich gekappt, die anderen nicht geschlagen“ (48). Und er ergänzt: „Manchmal habe ich den Eindruck, dass es sich mit der Flucht aufs Land so ähnlich verhält wie mit dem Reisen in fremde Gegenden. Sie zerstört, was sie finden möchte“ (33).

Die Quintessenz des Buches ist: Vedder ist aus „der Gesellschaft in die Gemeinschaft“ gezogen (56) – mit allen Vor- und Nachteilen, die Vedder in zahlreichen Details beschreibt und analysiert. Nicht mit allen Positionen stimmt man überein – muss man auch gar nicht, um dieses Buch mit viel Lesevergnügen zu lesen.