"Wer den Tod nicht versteht, kann auch das Leben nicht verstehen"

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lizzycurse Avatar

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Wenn ich den E-Reader mitsamt „Das Buch des Totengräbers“ am liebsten mit unter die Dusche geschleppt hätte um weiterzulesen, dann war es ein verdammt gutes Buch! Der erste Teil der neuen Reihe aus der Feder von Oliver Pötzsch rund um den Polizeiinspektor Leopold von Herzfeldt, den Totengräber Augustin Rothmayer und die Telefonistin Julia Wolf hat mich erstklassig unterhalten - genau meine richtige Mischung zwischen Humor, Spannung und Recherche zu treffen, ist bei mir alles andere als leicht - aber Oliver Pötzsch hat es mit seiner Darstellung von Wien auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert geschafft.

Dienstmädchen werden grausam ermordet, eines nach dem anderen - alles deutet auf einen Serienmörder hin. Die Wiener Polizei ist in Aufruhr!

Leopold von Herzfeldt ist ein „Piefke“ wie er im Buche steht. Den Begriff musste ich übrigens auch erst mal wieder aus meinem Gedächtnis ausgraben ;) Ein wenig zu sehr von sich selbst überzeugt, lupenreines Hochdeutsch sprechend und oben drein noch ein brillanter Ermittler, der die „neumodischen Methoden“ schätzt - da lässt man den Neuen gern mal auflaufen in der Polizeiinspektion in Wien. Besonders da er gleich in der ersten Szene raushängen lässt, dass er alles ein bisschen anders macht als seine Kollegen, als er an den Tatort kommt und zuerst seinen Tatortkoffer und Kamera auspackt. Ich habe Leo wirklich geliebt. Er ist so oft gestolpert, hat sich aber immer wieder aufgerappelt und sein Revers gerade gerückt um weiter zu machen!

Die Spannung kommt in dieser Geschichte garantiert nicht zu kurz. Ob ich nun an Leos Seite über Akten gebrütet und über diese langweilige Tätigkeit geflucht habe, oder ob ich mit dem gebildeten Totengräber Augustin über den Wiener Zentralfriedhof gestreift bin, war eigentlich gleich. Pötzsch schafft eine Atmosphäre, die immer spannend und faszinierend bleibt. Gleichzeitig wirkt es authentisch. Die Figuren und das brodelnde Wien mit seinem typischen Dialekt. Ich habe zwischenzeitlich sogar nach der ein oder anderen neuen Errungenschaft der damaligen Zeit gegoogelt, weil sie mich nicht losgelassen hat. Für mich war das Wien im Aufbruch zu spüren, mit dem verbissenen Willen nicht abgehängt zu werden von der Welt und trotzdem noch Wien zu bleiben, wie die Einwohner es kennen.

Augustin Rothmayer stellt einen herrlich vielschichtigen Charakter dar - denkt man zuerst, dass dass er der typische gruselige eigenbrötlerische Totengräber ist - eine Figur am Rande der Gesellschaft, entpuppt er sich doch als ein Mann, der Geige spielen kann und eine wissenschaftliche Bibliothek sein Eigen nennt - und ein Buch über die Totengräberei schreibt, und zugleich noch viel (Galgen)Humor besitzt. Das macht ihn für mich zu einem ziemlich genialen Charakter.

Pötzsch hat ein geniales Händchen dafür, mich zwischen die Seiten zu saugen. Unversehens finde ich mich dann auf den Wiener Straßen, in Ballsälen oder Gräbern wieder - der Roman hat mich bis spät in der Nacht wach gehalten und mich gleich am nächsten Morgen, nachdem ich über dem Reader eingeschlafen war, wieder nach dem Gerät greifen lassen.

Ich hätte noch viel länger in Zeit in Wien verbringen können, viel länger den Zentralfriedhof erkunden - und war regelrecht empört, als die Geschichte ihr Ende fand. Sie hat mich einfach exzellent unterhalten - und ich freue mich darauf, im nächsten Jahr einen weiteren Ausflug nach Wien zu unternehmen.