Der Endlichkeit bewusst werden

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amara5 Avatar

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Der junge Familienvater Nicolas steckt im Hamsterrad und in der Rush Hour seines Arbeitsalltags. Nach dem Tod seines Vaters hat er seine Bedürfnisse nach Schriftstellertum abgehakt und das Pharmazieunternehmen übernommen. Das Methusalem-Projekt soll menschliches Altern verzögern, zieht aber auch mit einer 60-Stunden-Woche jegliche Energie aus Nicolas. Er entfremdet sich zusehends von seiner Frau Valerie und dem kleinen Julian.

Als sein Lieblingsmensch und philosophischer „Spinner“-Onkel Valentin stirbt und ihm die Villa im Süden vererbt, wird sich Nicolas Leben ändern. Er denkt zurück an den Sommer nach dem Abitur, den er mit großem Liebeskummer und Schmerz mit Valentin auf seinem Anwesen verbracht hat. Der Onkel, selbst Schriftsteller, hat Nicolas als ganzen Menschen wahrgenommen, inklusive seiner Gefühle und Herzenswünsche. Valentin der Lebenskünstler mit viel Sprezzatura, der mit seiner "Christopher"-Reihe mit Lebensweisheiten Erfolge feiern konnte und die Ratschläge über den Tod hinaus für seinen Neffen bewahren wollte.

Nicolas organisiert seine Beerdigung und fährt mit der Familie zur Villa in den Süden. Noch fällt es ihm schwer, sich von seiner Arbeit gedanklich zu lösen oder sich auf die Bedürfnisse anderer einzulassen – bis ihm eine Gestalt im Traum die Augen öffnet: Hinter einer Wand zur Geheimbibliothek stößt er auf Christopher am Klavier – die Romanfigur und zugleich ein Alter Ego Valentins. Er klärt ihm auf, sie führen leicht philosophische Gespräche über den inneren Kern des Wesens und über die Endlichkeit des Lebens, der wir alle ins Auge blicken sollten, um den Augenblick im Jetzt wahrnehmen und genießen zu können. Und dass wir uns von allerhand indoktrinierten Idealen im Kopf befreien müssen, um auf unseren Kern zu stoßen, der uns leitet.

„Schließlich müssen wir uns bei diesem Blick nach innen durch das Dickicht all jener Ideale kämpfen, die sich im Laufe des Lebens in uns eingenistet haben. Wir müssen uns gewissermaßen durch die Ideale in unserem Kopf hindurcharbeiten, um bis zu unserem wahren Kern vorzudringen.“

Nicolas lenkt um – er beginnt, sich Notizen zu machen, Geschichten zu erfinden und vor allem, seine Familie wieder wirklich wahrzunehmen. Sie alle genießen die Zeit in der Villa, Nicolas macht sich in der Firma den Rücken frei und er scheint, einen Ausweg aus dem Hamsterrad gefunden zu haben. Alles etwas vorhersehbar und mit einem recht glatten Happy End.

„Das Buch eines Sommers“ gibt Anregungen, den eigenen Weg zu überdenken und eventuell umzulenken – und ist federleicht und flüssig geschrieben, ohne Schnörkel oder übergreifendem Tiefgang. Bas Kast schreibt aus der Ich-Perspektive und vielleicht stecken biografische Elemente in seinem Buch. Die philosophische Ansätze sind ebenso leicht und hat man auch schon gehört. Trotzdem hinterlässt der Roman ein positives Allgemeingefühl beim Leser und regt zum weiteren Nachdenken an. Mit welchen Idealen haben wir unseren wahren Kern überdeckt und wie können wir ihn wieder aufdecken? Bin ich meiner Endlichkeit bewusst?

Antworten muss der Leser selbst finden oder wie es der Autor ausdrückt: „Das Buch ist ein Angebot, in den Dialog mit sich selbst zu kommen: Was will ich wirklich?“ Eine leichte, schnell zu lesende Lektüre, die zwar nicht lange nachhallt, aber kalte Winterabende mit Wärme füllt.