Netter Roman über Selbstfindung, mit kleinen Schwächen

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la calavera catrina Avatar

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Ein gestresster Unternehmer gerät nach dem Tod des geliebten Onkels in eine Sinneskrise. In seinem Traum begegnet er daraufhin der erfolgreichsten literarischen Erfindung seines Schriftsteller-Onkels und beginnt seine Ideale zu hinterfragen.

Es geht um den unerschütterlichen Glauben, an die eigenen Fähigkeiten, das unermüdliche Dranbleiben, und darum, sich der eigenen Endlichkeit und der Kostbarkeit des Lebens bewusst zu werden. Loslassen, und warum es uns so schwer fällt, ist eine ganz zentrale Frage des Romans. Nicholas träumte von einem selbstbestimmten Schriftstellerleben voller Leichtigkeit, wie sein Onkel es führte, doch er scheiterte und kommt schließlich an einen Punkt, wo er sich fragen muss, was ihm wirklich wichtig ist.

Bas Kast schreibt lebendig über seinen Haupt-Protagonisten Nicholas, und stürzt ihn in innere Konflikte, aus denen aber nie ernsthafte Krisen entstehen.
Das sinnlich beschriebene hügelige Landschaftsbild aus „französischen Weinbergen, Wäldchen und vereinzelten Flecken Ackerland“, als auch das zeitlos aktuelle Thema erinnert an Romane wie „Ein guter Jahrgang“ und „Das Café am Rande der Welt“. Die leidenschaftliche Verbindung zur Literatur ist durchgehend spürbar und die Idee, einer Romanfigur eine therapeutische Rolle zukommen zu lassen, wurde geheimnisvoll umgesetzt. Die Geschichte ist Spiegel und Fenster zugleich. Man erfährt auch etwas über sich selbst, während man durch das aufgestoßene Fenster von Nicholas blickt, das er nur mit Hilfe gedanklicher Anschubser öffnen konnte. Handwerklich durchdacht, auf das Wesentliche fokussiert, tiefergehend und heilsam zugleich. Die fantasievollen Quatschgeschichten, die Nicholas seinem Sohn erzählt, fand ich besonders originell. Die kleinen Geschichten in der Geschichte selbst bedienen eine bildhafte Verständnis-Ebene und machen Botschaften individuell (be)greifbar. Während diese Fantastereien zum einen Nicholas kreatives Talent untermauern, dienen die psychologischen Geschichten und Fabeln eher dazu, zum Nachdenken anzuregen. Fast alle waren mir schon bekannt, da hätte ich mir mehr Einfallsreichtum gewünscht. Leider wirkte der Roman stellenweise, in seiner ratgebenden Funktion, unnatürlich aufdringlich. Beispielsweise fällt Nicholas, aus heiterem Himmel, eine Geschichte ein, die, bei genauer Betrachtung, den Leser dazu anhalten soll, über seine eigene Komfortzone nachzudenken. Einige Klischees haben zwar einen bitteren Beigeschmack hinterlassen - zu einem genussvollen Moment gehört offenbar immer Alkohol und wenn man Kinder adoptiert, dann am besten aus Afrika -, insgesamt fand ich den Roman aber inspirierend und unterhaltsam.

Fazit: Ein Roman, der vor allem für die kulturliebende Leserschaft interessant ist und nachhaltige Denkanstöße liefert. Insbesondere für Menschen, die schon immer ein Buch schreiben wollten oder andere unerfüllte Träume mit sich herumtragen, werden sich über diesen ermunternden Roman freuen, in dem viel Weisheit, Leichtigkeit, Fantasie und Liebe zur Literatur steckt.