Wahrer Kern des Wesens

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bobbi Avatar

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Nicolas dreht sich im Hamsterrad, hat nach dem Tod des Vaters das Pharmazieunternehmen übernommen und steckt mitten in einer Entwicklungsstudie zu einem Medikament, das menschliche Alterungsprozesse entgegenwirken kann. Zuhause sehen ihn Frau Valerie und Sohn Julian nur selten und wenn, ist er meistens gereizt und in den Gedanken bei der Firma.

Als sein geliebter "Spinner"-Onkel Valentin stirbt, kommt sein gewohnter Gang ins Stocken. Er erinnert sich an den Sommer nach dem Abitur, den er mit Herzschmerz bei dem Onkel verbracht hat - er hat ihn und seine Gefühle, seine Wünsche ernstgenommen. Valentin war eine Lebemensch mit Geschmeidigkeit, mit viel Sprezzatura - und er war Schriftsteller, hatte mit seiner "Christopher"-Reihe mit lebensklugen Geschichten großen Erfolg.

Nicolas reist mit seiner Familie in Valentins Villa und zu seiner Beerdigung. In der freien Zeit kommen sie sich wieder näher, berichten sich mehr über ihr Leben und eines Nachts hat Valentin einen sehr lebendigen Traum: Hinter einer Wand zur Bibliothek trifft er einen (seinem Onkel und zugleich der Romanfigur Christopher ähnlichen Mann) am Klavier, mit dem er tiefgreifende Gespräche über den Sinn des Lebens und die Findung des inneren, wahren Kerns hat. Er macht ihm klar, dass gerade das Akzeptieren der Endlichkeit des Lebens ein Tor zum bewussten Wahrnehmen des Augenblicks sein kann. Und eine Tür zu den wahren Bedürfnissen und Wünschen, abseits der von außen indoktrinierten Ideale. Schon früh lernen Kinder, ihre Gefühle zu unterdrücken und so zu werden, wie es die Eltern gerne hätten.

Die Begegnung öffnet Nicolas die Augen - auch er wollte immer Schriftsteller werden. Er schnappt sich das rote Notizbuch vom Onkel und beginnt zu notieren, lässt den Ideen freien Lauf und beginnt, sein Kind und seine Frau wieder mit frischen, anderen Augen zu sehen.

"Das Buch eines Sommers" ist ein leichter und positiver Roman über eine Neuorientierung - den Weg umzulenken, wenn er nur noch aus Trott, Stress und Momente-Abhaken besteht. Bas Kast schreibt aus der Ich-Perspektive von Nicolas und als Leser erscheint der Eindruck, es könnte auch ein wenig seine Lebensgeschichte sein. Leichte philosophische Ansätze sind in vielen Beobachtungen von Mensch und Natur verwoben, die Seiten fliegen leichtfüßig nur so dahin und die Geschichte versprüht einen wohlwollenden Esprit, auch sein Leben hin und wieder zu überdenken. Wie nah sind wir noch unseren Mitmenschen, wo sie doch jeden Moment nicht mehr sein könnten? Mit was überdecken wir unseren inneren Kern? Eine schöne Geschichte zum Träumen, der ich hier und da etwas mehr Tiefgang gewünscht hätte, mich aber gut unterhalten und mit einem leichten Gefühl zurückgelassen hat.

"Erkenne, wer du vom Kern deines Wesens her bist, und dann werde es."
S 125