Eine Liebeserklärung an das Lesen

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Der lesende Mensch beherrscht ein Reich, das nur ihm gehört, und erschafft unantastbare Welten – romantische, politische, ungehorsame. Er ist ein Zeitenspringer, er geht in den Schuhen der Heldinnen, der Hilflosen, der Liebenden, der Verlassenen, er stellt sich Angst und Triumph, er lebt in Dörfern, Schlössern, Höhlen, Wäldern, Kellern, auf treibenden Booten, er ist den Wundern gegenüber genauso aufgeschlossen wie der Wissenschaft.
Aus: Große Enzyklopädie der Kleinen Gefühle

Ein Buch richtet sich stets an das Innere, stellt Fragen und lebt mit dem Lesenden in die Antworten hinein. Der Nichtlesende Mensch aber ist es oft gewohnt, sich an das Äußere zu wenden, um Antworten zu bekommen. Sich selbst als Anker wahrzunehmen: Das ist ihm unbekannt.
Aus: Große Enzyklopädie der Kleinen Gefühle, Handbuch für Buchhändlerinnen, Buchhändler und andere Literarische Pharmazeuten

Die beiden Zitate stammen aus dem Handbuch für Literarische Pharmazeuten, einem Buch innerhalb von Nina Georges Buch „Das Bücherschiff des Monsieur Perdu“. Das Handbuch wird zum einen von der Hauptfigur selbst verfasst und während der Handlung stetig weitergeschrieben und illustriert und erläutert zweitens die Geschehnisse der Haupthandlung. So erfährt man, in welchen Lebenslagen welche Literatur am besten geeignet ist und das es für jede Situation das richtige Buch gibt, wenn man denn bereit ist, sich auf diese Art der Medikation einzulassen.
Ich denke gerade in unserer heutigen Zeit, in der das Lesen (von Büchern) nicht mehr ein selbstverständlicher Teil vieler Leben ist und die Lesekompetenz und Leselust abnehmen, ist diese literarische Liebeserklärung ein starkes Statement. Denn genau das ist dieses Buch für mich: Eine große Liebeserklärung an Bücher, an den Akt des Lesens und des Sich-Verlieren-in-einer-Geschichte. Vielleicht weckt es in Leuten das Verlangen mehr zu Lesen und zu erfahren, was das Lesen mit einem macht (etwas, was sehr liebevoll dargestellt wird). Oder vielleicht, wie in meinem Fall, erinnert es einen daran, wie sehr man es geliebt hat, Bücher zu verschlingen und wie wenig man in der letzten Zeit dazu gekommen ist. Und das man sich wieder mehr Zeit dafür nehmen sollte!

Ein kleiner Gedanke zum Schluss: Man kann dieses Buch natürlich schnell herunterlesen, als eine schöne sommerliche Geschichte, in Frankreich, mit guten Freunden, gutem Essen und ein paar Anekdoten über das Lesen dazwischen gestreut.
Aber ich denke, man sollte sich für dieses Buch mehr Zeit nehmen und es wirklich Lesen und Verstehen und auf diesem Weg auch (wieder) etwas über sich selbst herauszufinden. Es braucht ein wenig Zeit, um diese zwei Bücher unter einem Einband in Einklang zu bringen, und vielleicht findet man erst nach ein paar Kapiteln in einen Lesefluss, aber es lohnt sich. Denn beide Bücher sind untrennbar miteinander verwoben und schicken den Leser als Ganzes auf eine Reise.