Eine literarische Buttercremetorte

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singstar72 Avatar

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Ich liebe Buttercremetorte - Sie auch? Allerdings hat dieses betörende Gebäck einen Nachteil. Es lässt sich nur portionsweise mit Genuss verzehren. Ähnlich erging es mir mit diesem Buch. Es in einem Rutsch durchlesen zu wollen, käme dem Versuch gleich, eine Buttercremetorte allein zu vertilgen...

Zugegeben, hier gibt es von allem viel. Viel Gefühl. Viel Liebe zur Literatur. Viele Zufälle. Und viele spontane Wandlungen. Daher Vorsicht - man kann sich an diesem Buch und Stil auch literarisch überfuttern. Doch das täte Monsieur Perdu Unrecht! Gut unterteilt, kann man dieses Buch durchaus genießen.

Zudem finde ich - es baut unzweifelhaft auf seinen Vorgänger auf, "Das Lavendelzimmer". Man kann das "Bücherschiff" zwar auch als Stand-Alone lesen, aber dann entgeht einem doch einiges. Das "Lavendelzimmer" hatte ich vor Kurzem erst kennengelernt, war also noch firm in Stil und Ausdrucksweise der Autorin.

Hm, und der Einfall, die "Enzyklopädie der Gefühle" mit in den Text aufzunehmen, war sicherlich nett. Man mag sich darüber streiten, ob das in dieser Länge mitten im jeweiligen Kapitel hat sein müssen. Die Einträge an sich fand ich vielfach wunderbar; könnte mir sogar vorstellen, sie nachher noch einmal gesondert zu lesen.

Die Psychologie von Jean Perdu ist sicherlich auch debattierbar. Mir schien er Ende des letzten Buches sehr zufrieden. Und bricht dann in diesem Band doch wieder vor Zweifeln fast zusammen...? Nun ja. Ich sag ja - Buttercremetorte. Im wahren Leben hat man ja auch nicht 12 Sahnehäubchen nebeneinander.

Fragezeichen erzeugte bei mir das Auftauchen des Autorenpaars "Jean Bagnol" in der Handlung. Das roch sehr stark nach Eigenwerbung, da es sich hier im wahren Leben um die Autorin und ihren Mann handelt... aber gut, das war nur kurz, und ganz am Ende. Dennoch bleibt ein "Geschmäckle".

Ganz wunderbar fand ich, wie gesagt, die eingestreuten Gedanken zur Literatur und zum Lesen. Hier habe ich viele Sätze gefunden, die ich mir am liebsten abschreiben würde. Toll auch die Atmosphäre Frankreichs, die Gerüche, die Gerichte, die Weine. Und auch der Sinn der Autorin für Romantik hat in mir eine Saite zum Klingen gebracht.

Insgesamt ist der Stil nicht unähnlich einer Rachel Joyce, die mit ihrem "Harold Fry" ja auch eine "Pilgerreise" mit vielen überraschenden Wendungen geschildert hat. Mein Fazit lautet also: wer diese Art Bücher mag, und nicht allzu kritisch ist, ist hier sicherlich gut bedient.