Blick auf die Guckkastenbühne

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„Man sollte sich immer ein bisschen mehr Hoffnung als Sorgen machen. Alles andere wäre doch blödsinnig, oder?“

Es ist die Geschichte von Robert Simon, der in Wien ein Café eröffnet. Ein Café ohne Namen, aber dafür mit Seele. Dabei liest sich die Erzählung nicht wie eine Geschichte, sondern es fühlt sich beim Lesen an wie das Betrachten eines Dioramas, wie der Blick auf eine Bühne. Sozusagen eine Guckkastenbühne, auf die wir neugierig einen Blick werfen dürfen. In diesem Fall eindeutig eine Volksbühne, denn es sind keine Heldenrollen, die dort aufziehen, sondern Menschen aus der Nachbarschaft, Gescheiterte, Trinker, Hoffnungsvolle und Hoffnungslose. So bunt wie das Leben ist eben auch die Besetzungsliste der Gäste des Cafés. Wir sehen Menschen auf diese Bühne treten, begleiten sie ein Stück weit und verlieren sie wieder. Und immer wieder wird geträumt. Wach und schlafend. Dies alles in einem unaufgeregten, ruhigen Erzählton, der Raum für Gedanken gibt. Selten habe ich in einem Buch so viele schöne Sätze gefunden. Immer wieder mag man beim Lesen innehalten, dem Gelesenen nachspüren und die Formulierungen in seinem Geist und Herzen bewegen:

„Wohin gehen wir?“
„Nach Hause“, sagte Simon.
„Durch Wetter, Staub und Überdruss?“
„Klar“, sagte Simon. „Wie sollte es denn sonst gehen?“

Ich gebe offen zu, dass dies mein erster Roman von Robert Seethaler war. Ich konnte mich unbefangen und unvoreingenommen auf die Erzählung einlassen und wurde mit einem ganz besonderen Stück Literatur belohnt. Besonders reizvoll fand ich die Namensgleichheit von Autor und Protagonist, die Raum breitet für die Frage, wieviel Robert Seethaler wohl in Robert Simon stecken mag?