Die Hoffnung ist die Schwester der Dummheit

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
owenmeany Avatar

Von

Ein Pandämonium von Sonderlingen breitet Seethaler da vor uns aus in Situationen und Momentaufnahmen - alles, was das Wiener Viertel so an Originalen hervorgebracht hat und in Simons Café verkehrt. Robert Simon, im Zweiten Weltkrieg verwaist, renoviert eine aufgegebene Gaststätte und betreibt sie fortan zunehmend erfolgreich mit einem sparsamen Angebot, aber gern aufgesucht als Treffpunkt verlorener Seelen, deren Lebensgeschichte wir Kapitel für Kapitel erfahren.

Das gestaltet er häufig auch in inneren Monologen oder mit einem regelrechten Stimmengewirr, aus dem die Volksseele spricht. Feinsinnig entwickelt er die Charaktere: die Kriegerwitwe als Vermieterin, den benachbarten Fleischermeister, den Hauseigentümer Vavrovsky, Mia, die Hilfsnäherin und Bedienung, den Ringer René Wurm, Wessely mit dem Glasauge und viele andere mehr. All die Geschichten drehen sich um existenzielle Themen wie Liebe und Leid, Leben und Tod, Erfolg und Scheitern, Krankheit, Charakter und Sucht, eingesponnen in das unaufhaltsame Mühlrad der Zeit.

Die durchaus dramatischen Ereignisse scheinen mir wie mit Pastellkreide skizziert, unterlegt mit abgeklärter, menschenfreundlicher Weisheit. So spricht er folgendermaßen über einen heruntergekommenen Säufer: "Aber er hat einen Stolz. Und damit hat er so manch einem anderen schon vieles voraus." (S. 61)

Anhand von Episoden erkennt man die Zeitumstände, kann die erzählte Zeit auch mit Hilfe von Schlagertiteln identifizieren, die Orte der Handlung werden durch Straßen- und Gebäudenamen definiert.

Ultimative Paukenschläge kommen nicht vor, die Menschen richten sich ein in ihrer jeweiligen Situation und stützen einander. Über allem schwebt das Prinzip Hoffnung, und das ist ja auch nicht gerade das Dümmste.