Ein echter Seethaler -- lesen und sich verlieren

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claumo Avatar

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Ich lese die Bücher von Seethaler sehr gern. Für mich ist es ein völliges Eintauchen in eine alte Zeit, die oft nicht schön war, wie man heute so gerne denkt. Die Protagonisten machen eine Entwicklung durch, so auch Robert Simon. Er eröffnet jung sein bescheidenes Café, in dem sich im Nachkriegs-Wien die Menschen treffen und schließt es nach 10 Jahren, da der Pachtvertrag nicht verlängert wird. Präzis charakterisiert Seethaler die Gäste, die liebenswert und sehr unterschiedlich sind. Ein wenig erinnern mich die Figuren an die des Hans Fallada; die kleinen Leute werden jeweils auf die Erzählerbühne gebracht und nicht vernachlässigt wie in anderen Romanen. Ich finde die Sprache glasklar und treffend, aber auch sehr warmherzig geschrieben. Trotz der Nachkriegszeit ist es für mich ein sehr positives, mich bestärkendes und gut unterhaltenes Buch.
Sätze wie "Ein Kuss unter der Laterne noch genügt für ein ganzes Glück.", fand ich jedoch zu kitschig und einfach nicht gelungen. Seethalers "Ein ganzes Leben" und "Der Trafikant" fand ich herausragend. "Das Café ohne Namen" bekommt daher vor mir einen Punkt weniger.