Leiser, einfühlsamer, melancholischer Roman über das Arbeitermilieu Wiens 1960/70e

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luisabella Avatar

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»»Es wird alles gehen, wie es soll«, sagte die Witwe. »Ich hab ein gutes Gefühl im Bauch.« - »Wenn Sie es sagen.« - »Ja, ich sage es. Man sollte sich immer ein bisschen mehr Hoffnung als Sorgen machen. Alles andere wäre doch blödsinnig, oder?«« (S.26)

Robert Seethaler’s neues Werk ist ein ruhiger, einfühlsamer, unaufgeregter und vielleicht stellenweise melancholischer Roman und Milieustudie der Wiener Arbeiterklasse und der ärmeren Gesellschaftsklassen. »Das Café ohne Namen« entführt die Leser:innen in das Wien der 1960er und -70er Jahre und dessen Arbeitermilieu.

Protagonist ist der Anfang 30-jährige Kriegswaise Robert Simon, der sich bislang mit Gelegenheitsjobs durch das Leben geschlagen hat, bis er sich entschließt das Café am Rand des Karmelitermarkts nahe des Paters in der Leopoldstadt zu pachten und mit neuem Glanz zu erfüllen. Wir begleiten Robert durch die Jahre seines Café und lernen mit ihm die verschiedenen Besucher:innen dieses »Café ohne Namen« kennen. »Das Café ohne Namen« ist keines der Kaffeehäuser der gehobenen Wiener Szene, sondern es ist ein einfaches Café, das von einfachen Leuten aufgesucht wird. Die Gäste sind Marktarbeiter:innen des angrenzenden Karmelitermarktes, Kartenspieler:innen, Trinker:innen, Kämpfer:innen, Eheleute und eben ganz normale Menschen. Was ist das Besondere an diesem Café und damit dem Roman? Es ist Robert Seethaler, der uns alle diese Besucherinnen durch Robert Simons Augen sehen lässt und wir sehen sowohl die schlechten/verwerflichen/lasterhaften/kaputten als auch die liebevollen/witzigen/zugewandeten Seiten dieser Schicksale und erkennen die Besucher:innen als das was sie sind: Menschen mit ihren jeweiligen Bedürfnissen, Wünschen, Träumen, Ängsten und Verwerfungen.

»Es ist gut, wie es ist, dachte er, man soll die Dinge zu Ende bringen, solange man noch Kraft hat, etwas Neues zu beginnen.« Robert Simon (S.272)

Dieser Roman ist kein Pageturner, kein großes Kino, keine Liebesgeschichte - oder vielleicht letzteres doch: Eine Liebesgeschichte an die Menschen, die viel zu häufig von der Gesellschaft übersehen werden und trotzdem Wichtiges tun oder es auch gar nicht müssen, weil das Leben auch anstrengend genug sein kann. Große Leseempfehlung für alle Fans von Robert Seethaler und diejenigen, die sich auf einen leisen und einfühlsamen Roman freuen.