Milieustudie aus der Wiener Vorstadt

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Seethalers neues Buch ist ein sorgfältig erzählter Roman, in dem er in bilderreicher Sprache die Geschichte eines Mannes rekonstruiert, der sich im Wien der 1960er–Jahre mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hält und schließlich einen langgehegten Lebenstraum erfüllt. Er übernimmt am tristen Karmelitermarkt ein heruntergekommenes Gastlokal. Als „Café ohne Namen“ haucht er ihm ein neues Leben ein.

Mit erstaunlichem Geschick schildert Seethaler den Mikrokosmos um das Karmeliterviertel, „eines der schmutzigsten und ärmlichsten in Wien“ (Seite 13). Er erzählt vom Alltag im „Tschecherl“. Von Robert, dem Wirt. Von Mila, seiner Bedienung. Von dem der Gäste, unter denen sich teils recht schräge Vögel und schrullige Charaktere finden. Wir erfahren von ihren Sorgen, Nöten, den kleinen und großen Dramen und den Leben, die ohne große Ansprüche gelebt werden.

Seethaler schickt uns Leser mitten hinein in eine kleinbürgerliche Welt, ohne dass er die Menschen billig vorführt. „Das Café ohne Namen“ ist ein Roman, in dem die 1960er und 70er–Jahre wiederauferstehen. Eine Epoche, in der die Zukunft für viele hoffnungsfroh wird. Träume und Sehnsüchte verknüpfen sich mit dem Um– und Aufbruch jener Tage. Schnörkellos sprudeln die Erinnerungen daher. Nie laut, sondern leise. Manchmal sogar weise wie auf Seite 157: „ Mit seinem Café hatte er sich seinen Traum verwirklicht, doch nun wurde ihm die schlichte Tatsache bewusst, dass jeder Traum verschwindet, sobald er sich erfüllt“.

Was mich betrifft, kann ich das Buch nur empfehlen. Hier ist auf wunderbare Art aus banalen Alltagsgeschichten eine bunte Zeitcollage entstanden.