Typisch Seethaler

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“Simon musste lächeln, wenn er an all die verlorenen Seelen dachte, die sich jeden Tag in seinem Café zusammenfanden. Er lehnte sich noch einmal zurück und streckte die Beine durch. Dann stand er auf und begann, die Tische und Stühle herzurichten.” (S. 71)

Robert Simon versucht eines Tages seinem Leben eine neue Wendung zu geben und pachtet ein Café. Einen Namen findet er nicht und so bleibt sein “Café ohne Namen”, aber mit vielen interessanten Gästen, die das Wiener Leben in der Nachkriegszeit abbilden.

Wenn man bereits Bücher von Robert Seethaler kennt, wird einen auch dieses nicht überraschen. Es ist im typischen Seethaler-Stil, das heißt, man bekommt Einblick in das Leben eines oder mehrerer Menschen. Nicht das ganze Leben, sondern nur einen Ausschnitt daraus. Und oft sind es auch keine besonderen Menschen, sondern ganz alltägliche. “Das Café ohne Namen” ist sicher nicht das schlechteste Buch des Autors, aber leider auch nicht sein bestes. An den “Trafikanten” oder “Ein ganzes Leben” kommt es leider nicht heran.

Mein Problem war vor allem, dass es keine richtige Hauptfigur gibt. Theoretisch wäre das der Café-Besitzer Robert Simon, aber auch in sein Innenleben bekommt man nur kleine Einblicke. Seine Angestellte Mila lernt der Leser da fast noch mehr kennen, aber auch sie bleibt ein wenig blass. Die vielen Stammgäste des Cafés sind interessant und typisch Wienerisch – vom Hocker hat mich aber auch da keine gerissen.

Das klingt jetzt negativer als mein Eindruck eigentlich war. Ich habe das Buch gern gelesen, habe gern einen Einblick in das Wien der 60er und 70er Jahre erhalten. Die leise Traurigkeit, die das ganze Buch durchzieht, hat mich berührt. Und wie immer, wenn ich über Wien lese, möchte ich sofort meine Koffer packen und hinfahren.

Wenn man andere Romane von Seethaler mag, wird einen auch dieser nicht enttäuschen. Aber vielleicht auch nicht unbedingt begeistern. 4 von 5 Sternen.