Vom Abarbeiten und Altwerden, von Punsch und Verlusten

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„Das Café ohne Namen“ war mein vierter Seethaler und mir mal wieder ein Lesevergnügen.

Nach sieben Jahren als Marktarbeiter eröffnet Robert Simon im Jahr 1966 ein Café in Wien. Schon nach kurzer Zeit benötigt er Unterstützung und stellt Mila ein, die sich als tüchtige Angestellte entpuppt. Simon liebt seine neue Arbeit, diese 6-Tage-Woche zwischen Punsch und Bier, er liebt dieses Kreisen um seine Gäste, um den Fleischermeister, der sein Freund geworden ist, um die Käsehändlerin, den Ringer René, um das kleine und große Scheitern im Leben, ob selbst eingebrockt oder aufgezwungen.

Seethalers neuer Roman ist ein leises, aber glanzvolles Porträt von Menschen, deren Wege sich im „Café ohne Namen“ kreuzen. Der Autor seziert die Nöte seiner Figuren, das Abarbeiten, wenn man sich selbst im Weg und anderen zur Seite steht, das Altwerden, Freundschaft, Liebe. Seine leise Art, diese melancholische Sprache, großartig. Und es wird so unfassbar viel verloren: Kämpfe, Finger, Erinnerungen, ein Kind; sogar Wien selbst verliert: Einwohner*innen, eine Brücke. Aber auch das ist gut, denn man nimmt dem Autor ab, dass Verluste nötig sind, dass das Leben ohne sie einfach nicht funktioniert.

„Hast du ihn gesehen? Leichenblass. Wie Schnee, aber unter den Augen ganz schattig. Und dünn wie ein Hühnerknochen. Dabei irgendwie auch nicht unschön. Besser als vorher. Manche Männer werden ja erst in der Krankheit attraktiv. Manche erst mit dem Tod.“