Sehr beeindruckendes Debüt!

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Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Alice Lindstedt hat gerade die Filmhochschule in Stockholm abgeschlossen und plant, ihren ersten Dokumentarfilm zu drehen: über Silvertjärn, einen abgelegenen Grubenort im Wald von Norrland. Vor 60 Jahren verschwanden unter ungeklärten Umständen alle Bewohner von einem Tag auf den anderen. Kurz zuvor zog ihre Großmutter von dort weg. Alice will herausfinden, was damals geschehen ist. Mit ihrem Team bricht sie zu dem einsamen Ort auf. Doch bald geschehen seltsame Dinge. Die Handys haben keinen Empfang, im Walkie-Talkie ist ein heiseres Lachen zu hören. Und kurz darauf ist der erste aus dem Team tot. Wer ist außer ihnen noch in Silvertjärn? Was ist damals passiert? Und vor allem: Werden Sie diesen grausamen Ort lebend verlassen?

Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Camilla Sten wurde 1992 geboren und studiert an der Universität Uppsala Psychologie. Sie interessierte sich schon früh für Politik und schreibt Artikel über Feminismus, Rassismus und das aktuelle politische Klima für diverse schwedische Zeitungen. Gemeinsam mit ihrer Mutter, der Bestseller-Autorin Viveca Sten, schrieb sie bereits mehrere Bücher. »Das Dorf der toten Seelen« ist ihr Thrillerdebüt.

Allgemeines
Titel der schwedischen Originalausgabe: „Staden“, ins Deutsche übersetzt von Nina Hoyer
Erschienen bei Harper Collins am 21.April 2020 als TB mit 448 Seiten
Gliederung: Prolog - Roman in nicht-nummerierten Kapiteln, je nach Handlungsebene mit „Jetzt“ oder „Damals“ überschrieben – Danksagung
Teils Ich-Erzählung von Alice Lindstedt, teils Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive von Elsa
Handlungsort und -zeit: Silvertjärn, Norrland, 1959 („Damals“) und 2019 („Jetzt“)

Inhalt
Kurz nachdem das Erzbergwerk des abgelegenen Ortes Silvertjärn 1959 schließen musste und die Bergarbeiter ihre Lebensgrundlage verloren haben, verschwinden plötzlich alle 900 Einwohner spurlos und werden nie wieder gesehen. Als die Polizei an den Ort kommt, wird auf dem Marktplatz die Leiche einer zu Tode gesteinigten Frau aufgefunden, das einzige lebende Wesen in der Geisterstadt ist ein neugeborenes Mädchen, das im Schulhaus zurückgelassen worden ist.
Alice Lindstedt hat schon immer einen Bezug zu Silvertjärn gehabt, denn ihre Großmutter Margareta ist dort aufgewachsen und kurz vor dem geheimnisvollen Verschwinden der gesamten Dorfgemeinschaft nach Stockholm gezogen. Aus den Briefen ihrer Mutter Elsa und ihrer jüngeren Schwester Aina schließt Margareta, dass in dem Dorf etwas Unheilvolles vorgegangen sein muss. Nachdem sie ihrer Enkelin Alice diese Briefe gezeigt hat, entschließt sich diese, mit ein paar Bekannten nach Silvertjärn zu fahren und einen Dokumentarfilm über die „Geisterstadt“ zu drehen. Doch die jungen Leute werden vom Unglück – oder von etwas Unheimlichem – verfolgt, es geschehen merkwürdige und bedrohliche Dinge. Die Stimmung im Team wird immer angespannter und man misstraut einander…


Beurteilung
Der Prolog schildert, wie zwei Polizeibeamte im August 1959 im verlassenen Ort Silvertjärn die an einen Schandpfahl gefesselte Leiche einer gesteinigten Frau und im Schulhaus ein Neugeborenes finden.
Die folgenden Kapitel werden abwechselnd auf zwei Zeitebenen präsentiert: In der Gegenwart („Jetzt“) tritt Alice, die Leiterin des Filmteams als Ich-Erzählerin auf, die Handlung in der Vergangenheit ist als Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive von Margaretas Mutter und Alices Urgroßmutter Elsa gehalten. Durch die 1959 („Damals“) spielenden Kapitel ist der Leser Alice und ihrem Team in Bezug auf den Erkenntnisgewinn immer einen Schritt voraus.
Der Erzählstil der Autorin ist sehr anschaulich und vermag es, beim Leser ein gewisses Gruselgefühl zu erzeugen. Das liegt nicht nur an den scheinbar unerklärlichen Missgeschicken und Unglücksfällen, die das Filmteam ereilen, sondern auch an der Gruppendynamik unter den jungen Leuten. Diese sind nicht alle psychisch stabil und haben teilweise auch eine nicht „aufgearbeitete“ gemeinsame Vorgeschichte.
Es ist sehr spannend, zu verfolgen, wie aus einem ungewöhnlichen Filmprojekt ein Kampf ums Überleben wird, den leider nicht jeder gewinnt.
Auch der 1959 spielende Teil des Romans befasst sich im weiteren Sinne mit dem Thema „Gruppendynamik und Manipulation“, es ist schier unfassbar, wie ein einzelner Mensch Unfrieden in eine bisher funktionierende Gemeinschaft tragen und diese in den Untergang führen kann. Diese Darstellung mutet zumindest in einem speziellen Fall ein wenig übertrieben an.
Die Charaktere der Romanfiguren sind differenziert ausgearbeitet und damit weitestgehend realistisch gezeichnet.

Fazit
Ein sehr beeindruckendes Debüt, spannende Unterhaltung!
4,5 Sterne