Interessant mit Steigerungspotential

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aniba Avatar

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„Das Dorf (Finsterzeit 1)“ von Sandra Toth ist der Auftakt einer dystopischen Trilogie, der mich teils nachdenklich, teils neugierig zurücklässt. Ich will versuchen, zu erklären, warum es so ist.

Die Geschichte: Die rasch und erbarmungslos betriebene Energiewende hat die deutsche Gesellschaft weit gespalten, Strom wurde zum Luxusgut. Dem großen Kurzschluss folgte die Stromlosigkeit. Die Menschen fallen zurück in einen triebhaften Egoismus, denn das tägliche Leben ist auf fast allen Ebenen beeinträchtigt. Raub, Gewalt und Mord sind allgegenwärtig, fast überlebenswichtig. Lara, ihr Hund „Katze“ und Thomas sind auf der Flucht in die vermeintlich sichere Festung, die Thomas Großvater aus einer bösen Vorahnung heraus errichten ließ. Ihr Überlebenskampf ist Gegenstand dieses ersten Teils.

Die Umsetzung: Insgesamt ist die Idee sehr gut, vielleicht gar nicht mal so unrealistisch – vor allem nachdem wir gesehen haben, welche Wirkung ein Virus auf die Gesellschaft haben kann. Das Buch ließ sich gut und flüssig lesen. Doch in meinen Augen ist die Umsetzung nicht gänzlich gelungen, was ich an der Darstellung der Finsterzeit, den Erzählperspektiven und der Erzählweise festmache.

Außer den oben genannten Fakten erfährt man recht wenig über die Finsterzeit, denn man befindet sich immer unmittelbar an der Seite der Protagonisten, folglich eher versteckt vor anderen Menschen. Die Flucht schwebt dadurch etwas im luftleeren Raum.

Neben Lara gibt es zwei weitere Erzählperspektiven, die sich Kapitelweise abwechseln, mit einigen Überschneidungen. Zwei Schritte vor, einer zurück sozusagen. Dieselbe Situation zwei Mal kurz hintereinander zu lesen, hat mich einfach verwirrt, ohne dass es einen deutlichen Mehrwert an Information gegeben hätte. Da Thomas keine eigene Erzählperspektive hat, bleibt er für mich undurchsichtig. Einerseits unheimlich liebevoll und affektiv, andererseits ein maschinenartiger Kämpfer ohne Skrupel. Keiner der Beobachtenden kennt seine ganze Geschichte. Es bleibt abzuwarten, ob man in den folgenden Bänden mehr über ihn erfährt.

Großen Wert legt die Autorin darauf, die Gefühle und Motivationen ihrer Handelnden darzustellen, was ihr sehr detailliert gelingt. Dies bietet eine gute Identifikationsmöglichkeit , doch wird zeitgleich ein wenig das Tempo gedrosselt. Zwischen sehr starken, spannenden Passagen, gibt es recht langatmige Seiten der Innensicht. Das empfand ich als schade.

„Das Dorf“ lässt mich unschlüssig zurück, wie ihr merkt. Die Geschichte ist gut, aber nicht ausgereift. Neben der Neugier, wie es weitergeht, bleibe ich außerdem mit der Frage zurück: wo war eigentlich Katze, der Hund in der zweiten Hälfte des Buches?