Düstere Ästhetik der Moderne

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irislobivia Avatar

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„Dream Hotel“ entfaltet sich wie ein schillerndes, beunruhigendes Spiegelbild unserer Zeit: Ein Cover, das einen verschwommen wirkenden Raum zeigt, der sich aufzulösen droht, führt den Leser direkt in eine Welt, in der Realität und Traum zu einer verstörenden Dämmerung verschmelzen.
Hauptfigur Sarah führt ein scheinbar gewöhnliches Leben, das im Lauf der Handlung in eine gefährliche Abwärtsspirale gerät. Es beginnt mit einer abrupten Zäsur an einer Flughafenkontrolle: Risikowerte zu hoch, eine neue, durchdringende Definition dessen, was „gefährlich“ bedeutet. Was folgt, ist kein klassischer Spannungsbogen, sondern ein langsamer, klimatisierter Verlust der Selbstverständlichkeit. Im „Dreamhotel“ wird sie interniert, ohne zu wissen, was sie verbrochen hat.
Das „Dream Hotel“ selbst präsentiert sich zunehmend im Stil eines absurden Alptraumhotels, in dem sie aufgrund ihrer „gefährlichen Träume“ isoliert wird, ohne klare Begründung, gefangen in einer Routine, die ihr Sinngefühl aushebelt und sich zunehmend bizarrer anfühlt. Die Story entwickelt sich weniger durch spektakuläre Enthüllungen als durch das stille, verstörende Verlangen, zu verstehen, was mit ihr geschieht und vor allem warum.
Bezüge zu Kafka sind unausweichlich. „Das Schloss“ und „Der Prozess“ hängen wie drohende Schemen über der Handlung, die Laila Lalami konzentriert entwickelt: unerreichbare Autoritäten, unausgesprochene Regeln, ein System, das jede Bewegung überwacht und jedes Motiv interpretiert. Die kafkaeske Stimmung verstärkt das Gefühl, in einer Struktur gefangen zu sein, die größer ist als das Individuum.
Aktuelle Bezüge zu KI und zunehmender Überwachung drängen sich auf. Zwischen den Zeilen fragt die Autorin: Wer kontrolliert die, die kontrollieren?
Algorithmen, die Risikoprofile erstellen, zunehmender Kontrollverlust – all das wird zu einem leisen, unaufhaltsamen Druck, der Sarahs Welt in sich zusammenbrechen lässt, die Würde des Einzelnen immer mehr fragmentieren.
„Dream Hotel“ reiht sich ein in Dystopien wie Samjatins „Wir“ und Huxleys „Schöne neue Welt“. Laila Lalamis Roman präsentiert sich als moderner Nachfahre düsterer Zukunftsvisionen des 20. Jahrhunderts. Es ergänzt die Fragen, die bei „Wir“ gestellt werden: Was ist Menschlichkeit in einer von Maschinen, Überwachung und algorithmischer Vorbestimmung dominierten Gesellschaft? Und wie viel Freiheit bleibt, wenn jeder Gedanke, jede Sehnsucht und jeder Traum sich in Datenpunkte verwandeln lässt? Lalami antwortet darauf mit einer sensibel gezeichneten Protagonistin, deren innerer Widerstand gegen die unsichtbare, aber allgegenwärtige Kontrolle poetisch, nervös und ehrfürchtig zugleich bleibt.
Insgesamt ist Dream Hotel eine beeindruckende Mischung aus düsterer Ästhetik, psychologischer Tiefe und zeitgenössischer Relevanz. Es ist mehr als eine dystopische Geschichte über Überwachung; es ist ein Stillleben der Träume, ein Kommentar zur Macht der Systeme rund um die Einschränkung individueller Freiheiten durch moderne Technologien und Überwachungsstrukturen.