Ein Roman, der aktueller nicht sein könnte

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mrsamy Avatar

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Sara hat ein ganz normales Leben. Als Archivarin für ein Museum darf sie dem Job nachgehen, den sie liebt, immer mal wieder Ausstellungen kuratieren und zu Kongressen in Europa fliegen. Und auch privat hat sie mit ihrem Mann Elias und ihren Kindern, zwei kleinen Zwillingen, ihr Glück gefunden. Natürlich ist nicht alles perfekt … aber welches Leben ist das schon? Doch dann ändert sich plötzlich alles. Auf dem Rückweg von einem Kongress in London wird sie am Flughafen festgehalten. Ihr Risikowert ist zu hoch, man unterstellt ihr, in naher Zukunft eine Gefahr für ihren Ehemann zu sein. Kurzerhand wird Sara in ein Einbehaltungszentrum geschickt, in dem vor allem auch die Träume der dortigen Einbehaltenen einer genaueren Untersuchung unterzogen werden. Denn in Saras Gegenwart sorgen moderne Technologien für eine allumfassende Überwachung und Datenauswertung, hier mittels eines speziellen Schlafgeräts, dass den Anwendern eine erholsame Nachtruhe gönnt und eben zugleich auch die Daten der Nutzer verwertet. Im Einbehaltungszentrum muss Sara bleiben, bis ihr Risikowert wieder gesunken ist und man sich sicher sein kann, dass von ihr keine Gefahr ausgeht. Doch wann ist dieser Zeitpunkt eigentlich erreicht? Vor allem wenn schon kleinste Regelverstöße gegen die strengen Einrichtungslinien reichen, um ihre Aufenthaltsdauer immer wieder zu verlängern?

„Das Dream Hotel“ von Laila Lalami ist ein wichtiger Roman, der einen nicht kalt lassen kann. Was man vor ein paar Jahren sicherlich noch als abgedrehte Science-Fiction abgetan hätte, scheint heute in einigen Jahren durchaus denkbar. Immer neue technische und digitale Geräte und Apps erobern unseren Alltag, schon heute ist ein Leben ohne die smarten Helfer kaum mehr vorstellbar. Doch bei aller Benutzerfreundlichkeit öffnen wir so der Überwachung ganz legal Tür und Tor. Und natürlich ist der Gedanke gut: Wer ein potenzielles Risiko darstellt, wird erst einmal separiert und die Gesellschaft so vor den betreffenden Personen geschützt. Doch solch ein System ist höchst anfällig. Stimmen die Daten? Funktioniert der Algorithmus? Nutzen andere Menschen das System aus und lassen andere ihre Macht spüren, indem sie über Wohl und Wehe entscheiden? Dieser Roman thematisiert wichtige Fragen, kommt aber niemals mit erhobenen Zeigefinger daher. Das gesamte Setting ist für mich absolut nachvollziehbar und die Charaktere logisch aufgebaut. Sara ist eine starke Frau, die jedoch durch die lange Einbehaltungszeit (aus 21 Tagen sind fast ein Jahr geworden) in ihren Grundfesten erschüttert ist. Dennoch muss ich sagen, dass der Roman durchaus seine Längen hat. Ich hätte mir entweder eine kürzere Seitenzahl oder mehr Dynamik gewünscht. Nichtsdestotrotz hallt dieser Roman noch lange nach und es ist zu wünschen, dass er eine breite Leserschaft für sich gewinnen kann.