Schockierender Science Fiction Roman

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luckyanne Avatar

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Was wäre, wenn selbst unsere Träume überwacht würden? Wenn das, was wir nachts denken und fühlen, zu einer Datei wird – analysiert, bewertet und gegen uns verwendet? Genau diese beklemmende Frage stellt Laila Lalami in ihrem neuen Roman Das Dream Hotel, einer intelligenten und gleichzeitig emotionalen Dystopie, die einem lange im Kopf bleibt.

Die Geschichte folgt Sara Hussein, einer erfolgreichen Managerin, Ehefrau und Mutter von Zwillingen. Nach einer Geschäftsreise wird sie am Flughafen festgehalten – ohne Erklärung, ohne offensichtlichen Grund. Erst später erfährt sie, dass ihre „Traumdaten“ ein „erhöhtes Risiko“ zeigen: Ein Algorithmus hat berechnet, dass sie möglicherweise ihrem Ehemann gefährlich werden könnte. Ihre Strafe? 21 Tage Beobachtung im sogenannten Dream Hotel – einer Einrichtung, in der Menschen aufgrund ihrer Träume inhaftiert werden.

Was sich nach Science Fiction anhört, wirkt beim Lesen erschreckend real. Das „Dream Hotel“ ist kein futuristischer Albtraum, sondern eine sterile, digitalisierte Einrichtung, in der alles durch Zahlen, Sensoren und Algorithmen bestimmt wird. Jede Nacht werden Saras Träume ausgewertet, jede Emotion analysiert. Das Ziel: Risiken minimieren, Gefahren verhindern – koste es, was es wolle.

Lalami zeichnet dieses System mit leiser Präzision. Sie verzichtet auf große Effekte oder Action, sondern lässt das Grauen durch die Routine entstehen: die standardisierte Sprache der Beamten, die automatischen Entscheidungen, die scheinbar sachlichen Formulierungen. Genau darin liegt die Stärke des Buches – in dieser kühlen, bürokratischen Logik, die Menschen auf Daten reduziert.

Im Mittelpunkt steht dabei immer Sara. Sie ist keine klassische Heldin, sondern eine Frau, die sich plötzlich in einem kafkaesken Albtraum wiederfindet. Ihre Angst, ihr Unglaube und später ihre Entschlossenheit machen sie unglaublich greifbar. Man spürt beim Lesen ihre Verzweiflung – dieses Gefühl, in einem System gefangen zu sein, das sich nicht erklären lässt und dem man nicht entkommen kann.

Thematisch trifft Lalami damit ins Herz unserer Zeit. Sie stellt Fragen, die längst keine Fiktion mehr sind: Wie freiwillig geben wir unsere Daten wirklich preis? Wie viel Vertrauen setzen wir in Algorithmen, die über Jobs, Kredite oder sogar Beziehungen entscheiden? Und was passiert, wenn ein solches System zu bestimmen beginnt, wer als „Risiko“ gilt?

Besonders spannend ist, dass Lalami auch die gesellschaftliche Dimension nicht ausblendet. Das System im Roman ist angeblich neutral – und doch trifft es nicht alle gleich. Frauen, Migrant:innen, Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen werden häufiger kontrolliert und härter bestraft. Damit verweist die Autorin auf reale Machtstrukturen und Diskriminierungen, die sich unter dem Deckmantel von „Objektivität“ verstecken.

Stilistisch überzeugt Das Dream Hotel mit einer klaren, fast nüchternen Sprache. Lalami schreibt präzise, ohne Pathos, und genau das macht die Geschichte so eindringlich. Die beklemmende Atmosphäre entsteht weniger durch das, was geschieht, als durch das, was unausgesprochen bleibt – die Unsicherheit, das Gefühl, dass hinter jeder höflichen Ansprache eine Drohung lauert.

Wenn man überhaupt einen Kritikpunkt nennen möchte, dann vielleicht, dass das Ende etwas abrupt kommt. Manche Nebenfiguren bleiben eher skizzenhaft, und wer auf eine spektakuläre Auflösung hofft, wird sie nicht bekommen. Doch gerade diese Offenheit passt zum Buch: Es will keine abgeschlossene Geschichte erzählen, sondern ein Bewusstsein schaffen.

Am Ende bleibt Sara verändert zurück – verletzt, aber entschlossen, sich nicht brechen zu lassen. Und als Leser:in bleibt man mit der beunruhigenden Erkenntnis, dass die im Roman geschilderte Zukunft gar nicht so fern ist.

Fazit:
Das Dream Hotel ist ein kluges, beunruhigendes und hochaktuelles Buch über Überwachung, Macht und die Illusion von Sicherheit. Lalami zeigt, wie leicht Freiheit verloren gehen kann – nicht durch Gewalt, sondern durch Gewöhnung. Eine Dystopie, die sich anfühlt wie die Gegenwart, nur einen Schritt weitergedacht.