„ Der See stand in ihrem Zuhause“

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Die schwedisch-samische Journalistin Elin Anna Labba hat für ihr Sachbuch über die Zwangsumsiedlung der Sami den wichtigsten schwedischen Buchpreis erhalten. Nun legt sie mit „ Das Echo der Sommer“ ihren ersten Roman vor. Auch hier geht es um ein leidvolles Kapitel in der Geschichte ihres Volkes. Schon seit Jahrzehnten werden samische Dörfer für die Energieversorgung des Landes geflutet.
Der Roman setzt ein im Jahr 1942. Die dreizehnjährige Ingá macht sich wie jedes Jahr gemeinsam mit ihrer Mutter Rávdná und ihrer Tante Ánne von ihrem Winterquartier auf in ihr „ Sommerland“, ein Dorf an einem See in Nordschweden. Doch ihr Dorf ist schon beinahe ganz im See versunken.Die Regierung hat den Staudamm erhöht, weil die Städte im Süden des Landes mehr Strom brauchen. Auch ihre Torfkote steht schon zur Hälfte unter Wasser. Sie versuchen mit dem Boot noch einige Dinge aus ihrem einstigen Zuhause zu retten. Aber das Wasser steigt schnell. Auch das Grab ihres Vaters, das auf einer erhöhten Insel liegt, versinkt in den Fluten.
Es ist nicht das erste Mal, dass Rávdná und Ánne eine neue Kote bauen müssen. Schon früher hat sie der Staudamm gezwungen, weiterzuziehen, weiter oben am Fjäll zu siedeln.
Rávdná ist zornig. Als Witwe hat sie keine Rentierherde, mit der sie umherziehen muss. Sie lebt vom Fischfang und sie will endlich ein festes Zuhause. Doch der schwedische Staat möchte nicht, dass die Samen sesshaft werden. „ Der Staat hält es für das Beste, wenn sie ihr ursprüngliches Leben beibehalten und weiter mit ihren Rentierherden umherziehen. …Die natürlichen Eigenschaften der Lappen sind für die Sesshaftigkeit nicht gemacht.“
Aber Rávdná gibt nicht auf. Trotz fehlender Genehmigung baut sie sich ein kleines Häuschen und als Jahrzehnte später, wir sind dann Ende der 1960er Jahre, die Staumauer wieder erhöht werden soll, schließt sie sich mit anderen zusammen zum gemeinsamen Protest. Aber aller Widerstand nützt nichts. Erneut wird ihr Zuhause von den Fluten verschlungen.
Die Autorin zeigt uns hier drei starke Frauen aus zwei Generationen, die völlig unterschiedlich mit den Schwierigkeiten ihres Lebens umgehen. Während Rávdná sich gegen das Unrecht zur Wehr setzt, verschließt sich ihre Schwester immer mehr, wird immer stiller, bis sie schließlich stirbt, und Inga arrangiert sich notgedrungen mit den neuen Gegebenheiten.
Wir erfahren in diesem Roman sehr viel über die alte Kultur der Samen, ein Leben in und mit der Natur. Allerdings auch darüber, wie viel sich verändert hat. Dorfgemeinschaften werden auseinandergerissen, ihre Lebensgrundlage immer mehr zerstört. Gleichzeitig wird ihr Volk diskriminiert und ausgegrenzt. Das Winterquartier z.B. ist eine erbärmliche Barackensiedlung ohne Strom am Rande der Stadt. Der indigenen Bevölkerung wird, wie überall, ihre Heimat, ihr Lebensraum weggenommen, ohne ihre Einwilligung und ohne Entschädigung.
Auch hier zeigt sich eindrucksvoll, dass für die Gier der Industrienationen nach Wohlstand andere, Ärmere, bezahlen müssen.
Dabei ist der Roman unglaublich poetisch. Gerade die Passagen, in denen der See selbst zu Wort kommt, wirken wie Gedichte. Die vielen eingestreuten samischen Ausdrücke, die sich meist aus dem Kontext erschließen, stören keineswegs, sondern lassen die Geschichte noch authentischer wirken.
„ Das Echo der Sommer“ ist ein Roman, der Einblick bietet in eine faszinierende Kultur, gleichzeitig ein aufrüttelndes und schmerzhaftes Buch.