Dr. Kirsch und das Einstein-Mädchen...

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eskalina Avatar

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Ein Zettel mit einem Hinweis auf eine Vorlesung von Albert Einstein, das ist das Einzige, was die junge Frau bei sich hat, als sie bewusstlos in einem Wald bei Caputh gefunden wird. Auch nach ihrem Erwachen kann sie sich an nichts erinnern und ihre Herkunft bleibt vorerst im Dunkeln. Von Anfang an fühlt sich der Psychiater Dr. Martin Kirsch zu seiner Patientin hingezogen und beginnt auf eigene Faust zu recherchieren. Dass er damit nicht nur seine Anstellung an der renommierten Charité gefährdet, sondern auch seine Verlobte Alma Siegel vor den Kopf stößt, wird ihm erst sehr viel später bewusst. Aus vielen kleinen Bruchstücken setzt er nach und nach das Leben seiner geheimnisvollen Patientin zusammen und gerät dabei in gefährliche Gewässer.

Bei diesem Roman fällt immer wieder die gute Recherche des Autors auf. Er beschreibt nicht nur die zu der Zeit der Handlung üblichen psychiatrischen Behandlungsansätze, sondern schildert auch verständlich und schnörkellos die Relativitätstheorie Einsteins. In Rückblenden erlebt Dr. Kirsch seine traumatische Zeit in einem Feldlazarett während des 1. Weltkrieges, und auch der Alltag in dem der politische Einfluss der Nationalsozialisten immer tiefer in alle Lebensbereiche drängt, wird sehr plastisch beschrieben. Viele kleine Szenen aus dem Berliner Alltagsleben der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zeigen die Stimmung der damaligen Zeit auf und geben ein Gefühl für die Lebensumstände der Menschen. Kirsch steht stellvertretend für eine Generation, die durch den Krieg um ihre Jugend betrogen wurde, und die schon die nächsten dunklen Schatten heraufziehen sieht. Aufgrund eines veröffentlichten Artikels über Geisteskrankheiten gerät er in das Visier der neuen Machthaber und soll für sie alle Patientenakten bzw. Namen der Patienten herausgeben, damit in Zukunft solchen Krankheiten „vorgebeugt“ werden kann…

Die Handlung ist dicht und sehr gut eingebettet in ihre Zeit. Die tatsächlich existierenden Handlungsorte und die realen Namen von Einstein und seiner Familie lassen fast vergessen, dass das Geschehen um Martin Kisch rein fiktiver Natur ist, wenngleich sich damals alles so oder so ähnlich in deutschen Kliniken abgespielt haben kann.

**Fazit:** Für mich ein sehr gut recherchierter Roman (als Krimi würde ich ihn eher nicht bezeichnen) mit teilweise realem Hintergrund und intelligenter, anspruchsvoller Handlung.