Gelungene Mischung aus Fiktion und Realität

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kimvi Avatar

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Im Berlin der dreißiger Jahre wird ein junge Frau im Wald bei Caputh bewusstlos aufgefunden. Als sie aus dem Koma erwacht, fehlen ihr sämtliche Erinnerungen. Selbst ihr Name ist aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Da man bei ihr nur einen Programmzettel, für einen Vortrag von Albert Einstein findet, wird sie von den Medien fortan als das "Einstein-Mädchen" bezeichnet. Die junge Frau wird in der Psychatrie der Charité behandelt. Der Psychiater Martin Kirsch beginnt sich deutlich mehr mit der Patientin zu befassen, als von ärztlicher Seite notwendig wäre. Er versucht ihre Identität zu lüften und gerät dabei in den Sog gut gehüteter Geheimnisse....


**Meine Meinung**


Die Geschichte um das Einstein-Mädchen wird in verschiedenen Handlungssträngen erzählt. Man begleitet zunächst Alma Siegel auf der Suche nach ihrem Verlobten Martin Kirsch. Dann springt die Handlung  einige Monate in der Zeit zurück. Nun kann man Martin Kirsch dabei beobachten, wie sein Interesse an der namenlosen Frau geweckt wird und wie er langsam immer tiefer in den Sog der Ereignisse gerät. Dabei wird dieser Teil der Handlung gelegentlich von Briefen und einer Erzählung in der Ich-Perspektive unterbrochen. Diese Einschübe heben sich durch ein anderes Schriftbild vom Rest des Geschehens ab. Zunächst bleibt ungewiss, wie sich diese Einschübe in das Gesamtbild einfügen, doch recht bald erlangt man dadurch ein umfangreicheres Hintergrundwissen und kann erste Schlüsse ziehen.

Historische Ereignisse fließen in die Handlung ein und spiegeln das Flair dieser Zeit wider. Man erfährt von den damaligen Behandlungsmethoden der Psychiatrie und vom Leben zwischen den beiden Weltkriegen. Langsam schleichen sich die Anfänge des Nationalsozialismus in die Handlung ein. Auch wenn diese nur den Rahmen für das  Hauptgeschehen bilden, tragen sie doch viel zur besonderen Atmosphäre der Geschichte bei. Historische Fakten verknüpfen sich in diesem Roman geschickt mit der künstlerischen Freiheit des Autors. Die Physik kommt ebenfalls nicht zu kurz. Ausführlich wird auf die Arbeit und die Veröffentlichungen von Albert Einstein eingegangen. Diese Abschnitte sind zwar verständlich geschrieben, wirken aber trotzdem zuweilen recht langatmig und verführen dazu, mit den Gedanken abzuschweifen. Ein geringerer Anteil hätte den Lesefluss sicher gefördert.

Die Protagonisten wirken lebendig und ihre Handlungen nachvollziehbar. Martin Kirsch ist sympathisch und man folgt ihm deshalb gerne bei der Spurensuche. Sein gesundheitliches Manko wirft ihn dabei häufiger aus der Bahn, doch das lässt diese Figur noch glaubwürdiger wirken. Der Schreibstil ist flüssig und angenehm lesbar. Handlungsorte und Personen erwachen zum Leben und die Atmosphäre der vergangenen Zeit ist beim Lesen deutlich spürbar. Die Suche nach dem Schlüssel zur Vergangenheit des Einstein-Mädchens ist zwar interessant, doch für einen historischen Thriller nicht spannend genug. Dafür sind einfach zu viele langatmige Passagen enthalten.

Obwohl mir die physikalischen Abhandlungen zu ausführlich waren und meinen Lesefluss etwas hemmten, konnte ich mich nur schwer von der Geschichte des Einstein-Mädchens lösen. Die Atmosphäre der Erzählung und die Mischung von Fiktion und Realität konnten mich überzeugen, auch wenn ich mir, aufgrund des Klappentextes, inhaltlich etwas anderes vorgestellt hatte.